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BERICHT/082: Unterschiede in den religiösen Einstellungen ... (idw)


Julius-Maximilians-Universität Würzburg - 16.01.2007

Unterschiede in den religiösen Einstellungen zwischen christlichen, jüdischen und moslemischen Jugendlichen


Eine europäische Forschergruppe um den Würzburger Religionspädagogen Hans-Georg Ziebertz hat den zweiten Band der empirischen Jugendstudie vorgelegt, die in zehn Ländern Europas, der Türkei und Israel durchgeführt wurde. Teilgenommen haben insgesamt 10.000 Jugendliche. Die Studie zeigt nicht nur große Unterschiede in den religiösen Einstellungen zwischen christlichen, jüdischen und moslemischen Jugendlichen, sondern auch zwischen den beteiligten Ländern.

Seit drei Jahren befragen Religionswissenschaftler, Theologen und Religionssoziologen in zehn Ländern Jugendliche nach ihren Lebenseinstellungen, Religion und Glauben. In der nun vorgelegten Religionsstudie geht es unter anderem um die persönliche religiöse Praxis, um Religion in der Familie, Religionsunterricht, den Gottesglauben, um das Verhältnis zu den Religionsgemeinschaften sowie um Probleme des religiösen Pluralismus und die Beziehung der Religionen untereinander.

Das Ergebnis zeigt große Unterschiede. Die stärkste Religiosität haben moslemische Befragte aus der Türkei, gefolgt von Jugendlichen jüdischen Glaubens in Israel. Aus der Gruppe der traditionell christlichen Länder folgen mit kleinem Abstand Jugendliche aus Polen, Kroatien und schließlich Irland. Jugendliche aus protestantischen Ländern - etwa Finnland und Schweden - gehören wie Jugendliche aus Deutschland, Großbritannien und den Niederlanden zu den schwach religiösen. Für den Würzburger Professor Ziebertz bestätigen diese Befunde frühere Untersuchungen: "Islam und Judentum haben nach wie vor einen großen Einfluss auf junge Menschen, während die Bindungskraft des Christentums in Europa vergleichsweise schwach ist." Richtet man den Blick nur auf die europäischen Staaten, so ist die Religiosität in den traditionell katholischen Ländern (Polen, Kroatien und Irland) höher als in den traditionell protestantischen Ländern (Finnland, Schweden). In den meisten Untersuchungsbereichen haben Jugendliche aus den Niederlanden die geringste Religiosität, Jugendliche aus Deutschland rangieren im unteren Drittel.

Nachhaltige religiöse Erziehung in der Familie gelingt in der Türkei und Polen am besten. 80 Prozent der Befragten geben an, in einem religiösen Elternhaus aufgewachsen zu sein und den Glauben der Eltern fortsetzen zu wollen. Dies sagen nur 22 Prozent der deutschen Jugendlichen. In der Türkei ist 84 Prozent der Eltern wichtig, dass die Kindern ihren Glauben übernehmen, das gilt für 60 Prozent der polnischen und für nur neun Prozent der deutschen Eltern. "Damit ist klar", so Ziebertz, "welche Religion sich in welchem Land die besten Voraussetzungen verschafft weiter zu bestehen." Religionsunterricht, der in den jeweiligen Glauben einführt, wünschen sich Jugendliche am stärksten in der Türkei, Polen, Kroatien und Irland, während ein solches Unterrichtsziel von den Schweden, Niederländern und Deutschen am meisten abgelehnt wird. Zugleich meinen alle Jugendlichen mit Ausnahme der niederländischen, dass Religion keine überholte Sache, sondern in einer modernen Welt durchaus wichtig sei. Vor allem hervorgehoben wird die Funktion der Religion bei der Begleitung von Menschen, aber auch die öffentliche Stimme der Religionsvertreter bei relevanten gesellschaftlichen Fragen.

"Die bevorzugte Gottesvorstellung europäischer Jugendlicher ist der Deismus", so Ziebertz. Der Deismus repräsentiere ein Gottesbild, bei dem Gott eine ferne und abstrakte Kraft sei. "Das ist mehrheitlich nicht der Gott, dessen Menschwerdung Christen an Weihnachten feiern." Für Ziebertz handelt es sich mehr um eine Idee, eine Art Philosophie, um sich die Welt zu erklären, weniger jedoch um einen Glauben in traditionellem Verständnis. Die befragten Jugendlichen lehnen mehrheitlich die Vorstellung ab, dass eine Religion, und zwar die eigene, anderen Religionen überlegen sei. Eine Ausnahme sind junge Katholiken in Polen, jüdische Befragte aus Israel und vor allem muslimische Jugendliche aus der Türkei.

Die Studie zeigt, dass Religion im zusammen wachsenden Europa sehr unterschiedlich ausgeprägt ist und gelebt wird. Der Vizepräsident der Europäischen Bischofskonferenz, der Zagreber Kardinal Josip Bozanic, schreibt in seinem Vorwort, die Studie vermittele den Verantwortlichen in der Kirche eine gute Einsicht in die Lebensphilosophie der Jugendlichen sowie in ihre Ängste und Hoffnungen. "Vielleicht trägt die Studie dazu bei", meint außerdem der Würzburger Leiter der Studie, "dass die Kirchen zu einer realistischeren Einschätzung der Situation kommen. Sie werden sich ändern müssen."

Hans-Georg Ziebertz und William K Kay (Hrsg.):
Youth in Europe II. An international empirical Study
about Religiosity.
Münster 2006 (LIT-Verlag), 376 S., 29.90 EUR,
www.lit-verlag.de/isbn/3-8258-9941-1

Der erste Band: Hans-Georg Ziebertz
und William K Kay (Hrsg.),
Youth in Europe I. An international empirical Study
about Life-perspectives.
Münster 2005 (LIT-Verlag), 278 S., 24.90 EUR,
www.lit-verlag.de/isbn/3-8258-8718-9

Weitere Informationen: Prof. Dr. Hans-Georg Ziebertz,
Lehrstuhl für Religionspädagogik und Didaktik des
Religionsunterrichts,
T (0931) 888-4839 (Sekretariat),
E-Mail: hg.ziebertz@mail.uni-wuerzburg.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/pages/de/institution99


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Julius-Maximilians-Universität Würzburg, Robert Emmerich, 16.01.2007
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de

den 17. Januar 2007