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Jila Movahed Shariat Panahi: der Islam ist eine feministische Religion
Von Milena Rampoldi, 12. Mai 2016
Leverkusen - 12.05.2016. Die Feministin, politische Aktivistin und iranische Autorin Jila Movahed Shariat Panahi schloss 1973 an der Sharif University of Technology ihren Master in Science Engineering ab. Nach ihrem Studienabschluss war sie als Strahlungsspezialistin bei der iranischen Atomenergiebehörde angestellt. Nach der Revolution wurde sie 1985 aus zwei Gründen regierungskritisch.
Einerseits war sie der Meinung, dass die Sonnenenergie für den Iran eine viel sicherere Energiequelle als die Atomkraft wäre. Zweitens widersetzte sie sich der absoluten Kopftuchpflicht für alle Frauen auf dem Arbeitsplatz, indem sie meinte, dass ein so striktes Gebot dem Islam widersprach. Das Kopftuch wäre im Koran freie Wahl und kein Zwang. Am Ende entschied sie sich für die Kündigung. Ihr Kündigungsschreiben war ihre erste Initiative als Feministin.
1990 gewann Jila mit ihrem Artikel 'Die auf die Zivilgesetze zurückzuführenden Probleme der iranischen Frauen' einen Preis an der Rechtskundefakultät der Universität Beheshti. Daraufhin engagierte sie sich im Iran als Frauenrechtsaktivistin. Nach ungefähr 20 Jahren Forschung veröffentlichte sie 1999 ihr erstes Buch mit dem Titel 'Neue Analysen über die Frauenrechte gemäß dem koranischen Standpunkt'. Ihr zweites Buch mit dem Titel 'Die effizientesten Frauen des ersten und zweiten Jahrhunderts der islamischen Geschichte' erschien 2014.
Jila ist Mitglied der Kampagne 'Eine Million Unterschriften für die Änderung der diskriminierenden Gesetze gegen die Frauen' und des Nationalrates für den Frieden. Sie hat zahlreiche Konferenzen an Universitäten und NROs abgehalten und Artikel für verschiedene Zeitungen und Zeitschriften über das Thema der Frauenrechte verfasst. 1991, 1995, 1999, 2003 und 2016 kandidierte sie für die Parlamentswahl. 2009 kandidierte sie auch für das Präsidentschaftsamt, aber der Rat der Wächter lehnte ihren Antrag ab.
Ihre zwei neuen Bücher müssen noch von der iranischen Regierung genehmigt werden. Shariat Panahi ist verheiratet und Mutter drei gebildeter Söhne.
Milena Rampoldi: Was bedeutet der islamische Feminismus für Sie?
Jila Movahed Shariat Panahi: Einerseits möchte ich den Begriff "Feminismus" von meinem Gesichtspunkt aus erläutern:
Der Feminismus ist eine Lehre, im Rahmen derer die Frau, ihre Fähigkeiten und Talente als Mensch und Gender und ihre Bedürfnisse definiert werden. Der Feminismus umfasst auch Maßnahmen zwecks Förderung der weiblichen Talente und Kompetenzen und der Erzielung einer stabilen Entwicklung der Frau, ihrer Familie und ihrer Gesellschaft.
Dieser Lehre zufolge stehen der Frau, trotz der Unterschiede, dieselben familiären und gesellschaftlichen Rechte zu wie dem Mann. Das ist meine Definition des Feminismus als muslimische Feministin. Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass der Heilige Koran die Frauen als Gender sehr gut definiert hat. Der Koran weist auch einen außerordentlichen Weg, um die weiblichen Fähigkeiten und Talente zu entwickeln.
Schritt für Schritt hat der Heilige Koran Frauen und Männern als Menschen unabhängig von den natürlichen biologischen Unterschieden und verschiedenen Rollen innerhalb der Familie und des Soziallebens dieselben Rechte zuerkannt.
Welche sind die Haupthindernisse in den muslimischen Gesellschaften, wenn eine Frau kompetent ist und im politischen Bereich tätig werden will?
Die Haupthindernisse sind folgende:
Wenn ein Rechtsgelehrter direkt oder indirekt die politischen Führer an der Macht unterstützt, indem er mit der Verfassung religiöser Kommentare und Fatwas einen Haufen Geld verdient, sollte das Volk skeptisch werden und ihn nicht als Vertreter Gottes ansehen.
Die Menschen müssen selbst über ihre eigene Religion recherchieren. Denn der blinde Gehorsam gegenüber einem solchen Führer kann sie in die Arme gefährlicher Gruppen wie dem IS führen.
Meiner Meinung nach ist der Islam eine feministische Religion, die Muslime denken aber nicht feministisch. Was denken Sie darüber?
Dem kann ich nur zustimmen. Eine der besten Lösungen, um diesen Widerspruch zu lösen, besteht in der neuen Übersetzung und Auslegung einiger Koranverse über die Frauenrechte, die vollkommen falsch und offensichtlich widersprüchlich und im Gegensatz zum gesamten Geist des Islam übersetzt bzw. ausgelegt wurden. Um dies zu tun, müssen wir auch die Wurzeln der arabischen Begriffe genau berücksichtigen und auf diese fokussieren, indem wir auch andere Verse heranziehen, in denen dasselbe Wort vorkommt (z.B. der Begriff 'noshooz', der auf Arabisch für Frauen (al-Nisa, Vers 34) und Männer (al-Nisa, Vers 128) gilt).
Außerdem möchte ich auf Verse wie al-Nisa 3, 34, 127, 128 und 129, al-Baqarah 228, 229, 233, 240 und 241, al-Talaq 4 und 6 fokussieren, die falsch verstanden, falsch übersetzt und falsch ausgelegt werden (und zwar auf der Grundlage chauvinistischer Ideen oder erfundener Hadith des Propheten). Demzufolge müssen wir diese Verse neu interpretieren, indem wir auf den Humanismus und den allgemeinen Geist des Heiligen Koran fokussieren.
Welche sind die wichtigsten Dinge, die man als Frau heute in unserm Kampf gegen die Fehlauslegungen der weiblichen Rolle im Islam einerseits und der Islamfeindlichkeit andererseits tun kann?
Im Allgemeinen sollten wir damit anfangen, die falsche Anschauung der Muslime zu korrigieren, wenn es um die Frau im Islam geht und die Koranverse über die Frau korrekt zu übersetzen. Dies wäre schon mal ein großer Schritt auch für den Kampf gegen die Islamfeindlichkeit. Dann müssen wir auch die Einstellung der Muslime zum Mann ändern.
Und schließlich muss die gesamte Anthropologie im Islam anders ausgelegt werden. Ich bin der Meinung, dass dies der richtige Weg ist, um beide Ziele zu erreichen. In anderen Worten: bis wir nicht diese falsche Anschauung des Islam ausmerzen, die in den Herzen zahlreicher unwissender, muslimischer Gläubiger verwurzelt ist, werden wir auch nicht in der Lage sein, die Islamfeindlichkeit zu bekämpfen. Natürlich muss man davon ausgehen, dass diese falsche Einstellung eine wesentliche Rolle spielt, um die gebildeten Feinde des Islam zu unterstützen, die versuchen zu beweisen, dass diese falsche Anschauung der wahre Islam ist. Unsere Feinde profitieren somit von unseren Fehlauslegungen.
Mit einem weiblichen Islam sind wir hingegen in der Lage, das sanfte Gesicht des Islam zu zeigen, anstatt das harte und zurechtgemachte Gesicht zu verewigen.
Welche sind die Hauptthemen Ihres Buches über die Gleichheit im Koran?
Die wichtigsten Abschnitte meines Besuches befassen sich (zusammengefasst) mit den folgenden Themen:
Dies ist ein wesentlicher Schritt, um die Diskriminierung zwischen Frauen und Männern in den muslimischen Familien für immer zu überwinden. Im Vers al-Nisa 34, habe ich einige wesentliche arabische Begriffe neu übersetzt:
Im September 2005 hielt ich anlässlich der internationalen Konferenz über die Frauen in Peking einen Workshop mit dem Titel "How can we increase the role of Women to create a stable peace in the world" (Wie können wir die Rolle der Frauen stärken, um einen stabilen Weltfrieden zu gewährleisten), der auf die folgenden beiden Aspekte fokussierte:
Daher empfehle ich den Frauen, ihre Denkweise zu ändern. Sie muss sich auf ihre Weiblichkeit, Schönheit, Freundlichkeit, Emotionalität und Mutterschaft konzentrieren, um eine Welt aufzubauen, die auf der harmonischen Kombination männlicher und weiblicher Farbtöne basiert. Nur in einer solchen Welt wird der Krieg besiegt und der Frieden vorherrschen.
Nun möchte ich auf die Koraninterpretation zurückkommen: es ist Tatsache, dass die Exegeten, die den Koran falsch interpretieren, viel Diskriminierung gegenüber den Frauen in den muslimischen Gesellschaften verursachen.
Schließlich möchte ich noch einen besonderen Aspekt des schiitischen Islam ansprechen, und zwar den der Zeitehe (muta'a), die in den schiitischen Gemeinden bis heute geschlossen wird. Es gab sie auch bis zum 21. Jahr der Offenbarung, aber in jenem Jahr wurde diese Tradition aufgegeben, weil die islamischen Ehegesetze schon ausgearbeitet waren.
Wie sehen Sie die politische Zukunft des Iran?
Wenn die iranischen Frauen in der Lage sind, die derzeitigen Hindernisse zu überbrücken, um ins Parlament zu kommen und wenn wir eine ausreichende Anzahl von Frauen haben, um Fraktionen im Parlament zu bilden, dann können neue Gesetze gegen die Diskriminierung der Frauen verabschiedet werden. Unter solchen Bedingungen sehe ich eine positive Zukunft für alle iranischen BürgerInnen.
Dr. phil. Milena Rampoldi ist freie Schriftstellerin, Buchübersetzerin
und Menschenrechtlerin. 1973 in Bozen geboren, hat sie nach ihrem
Studium in Theologie, Pädagogik und Orientalistik ihren Doktortitel
mit einer Arbeit über arabische Didaktik des Korans in Wien erhalten.
Neben ihrer Tätigkeit als Sprachlehrerin und Übersetzerin beschäftigt
sie sich seit Jahren mit der islamischen Geschichte und Religion aus
einem politischen und humanitären Standpunkt, mit Feminismus und
Menschenrechten und mit der Geschichte des Mittleren Ostens und
Afrikas. Sie wurde verschiedentlich publiziert, mehrheitlich in der
deutschen Sprache. Sie ist auch die treibende Kraft hinter dem Verein
für interkulturellen und interreligiösen Dialog Promosaik.
www.promosaik.com
Der Text steht unter der Lizenz Creative Commons 4.0
http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/
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Quelle:
Internationale Presseagentur Pressenza - Büro Berlin
Johanna Heuveling
E-Mail: johanna.heuveling@pressenza.com
Internet: www.pressenza.com/de
veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Mai 2016
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