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STANDPUNKT/020: Wurde Papst Johannes Paul I. ermordet? (Gerhard Feldbauer)


Wurde Papst Johannes Paul I. ermordet?

Sein Tod machte den Weg frei für den Polen Karel Wojtyla

von Gerhard Feldbauer, September 2013



Gewalttätigkeiten sind aus der Vatikangeschichte mehr als genug bekannt. Mehrfach wurden Päpste vergiftet. Klemens II. starb 1047 nach einem Jahr Amtszeit diesen Tod. Von Leo X. (1513-1521) wurde berichtet, dass er einem Mordanschlag entging und danach zwei Kardinäle hinrichten ließ.

Die Gerüchte darüber, dass Johannes Paul I., der am 26. August 1978 überraschend durch das Kardinalskollegium als Nachfolger Paul VI. gewählt wurde, eines unnatürlichen Tode starb, sind bis heute nicht verstummt. Den Ausschlag für die Wahl des als Sohn eines Arbeiters geborenen Albino Luciano sollen die Stimmen der Kardinäle der Dritten Welt, die offensichtlich sein einfaches und bescheidenes Auftreten beeindruckte, gegeben haben. Das Votum für ihn sahen Insider als einen Regiefehler an. Denn der reaktionäre Klerus, vor allem in den USA, hatte darauf hingearbeitet, den polnische Kardinal Karol Wojtyla auf den Papstthron zu bringen. Die Wahl Lucianos hatte der verstorbene Paul VI. heimlich eingefädelt, um der USA-Vatikan Connection, die mit ihm unzufrieden gewesen war, eine Abfuhr zu erteilen. In die Wege geleitet hatte das Manöver dann der Florenzer Kardinal Giovanni Benelli, die rechte Hand von Paul VI.


Wollte die Ideen Johannes XXIII. wieder aufgreifen

Den ersten Namen Johannes nahm Luciano zur Erinnerung an Angelo Giuseppe Roncali, den Papst Johannes XXIII. an. Wie dieser kam auch er vom Lande, predigte Bescheidenheit und suchte die Nähe der einfachen Menschen. Als erstes schaffte er den altertümlichen Tragethron ab, in dem sich die Stellvertreter Christi seit Jahrhunderten von Menschen befördern ließen. In den Straßen jubelten die Menschen und tauften ihn "Papà Luciano". Zunächst herrschte im Vatikan die Meinung vor, Luciano, der keinerlei Erfahrungen in der Kurienleitung besaß, da er nie im Vatikan gearbeitet hatte, werde nicht in der Lage sein, Einfluss auf die Geschäfte in Rom zu nehmen. Doch bald zeigte sich, dass Luciano die Ideen des Reformpapstes Johannes XXIII. wieder aufgreifen wollte. So erklärte er, sein Pontifikat den Beschlüssen des II. Vatikanischen Konzils zu widmen. Er wollte mit der Korruption aufräumen, darin verwickelte Würdenträger ablösen, worunter der Chef der Vatikanbank IOR, Erzbischof Paul Marcinkus, gefallen wäre. Als er sich dann einem besonderen Heiligtum, dem Geheimarchiv, widmete, schrillten unter dem reaktionären Klerus die Alarmglocken. Zumal er für den 29. September wichtige Entscheidungen ankündigte. Kardinalstaatssekretär Villot, der am Abend zuvor bei ihm weilte, sagte, dass der Papst eine Liste von Pensionierungen und Versetzungen aufgestellt hatte.


Dem Geflecht des Vatikans mit der faschistischen Putschloge P2 auf der Spur

Als die betreuende Schwester den Papst am 28. September tot auffand, wurde frühzeitig befürchtet, er sei umgebracht worden. Vor seinen starren Augen habe die Brille gesessen, in den Händen habe er Papiere gehalten, sagte die Schwester. Die Brille sowie die Papiere verschwanden spurlos. Es wurde bekannt gegeben, der Heilige Vater habe einen Herzinfarkt erlitten. Kardinalstaatssekretär Villot sagte jedoch, der Papst sei am Vorabend bei bester Gesundheit gewesen. Auch Verwandte widersprachen der angegebenen Todesursache. Sein Bruder erklärte, Luciano sei nicht ernsthaft krank gewesen. Trotz dieser Hinweise verweigerte das Kardinalskollegium eine Obduktion. Die These vom Mordkomplott erhielt Auftrieb, als der britische Autor David Yallop sie 1984 in seinem Buch "Im Namen Gottes" mit handfesten politischen Fakten belegte. Johannes Paul I. sei dem Geflecht des Vatikans mit der faschistischen Putschloge P2, Geheimdiensten und Mafia-Kreisen auf der Spur gewesen. Bei den verschwundenen Papieren habe es sich um eine Liste höchster kirchlicher Würdenträger in der P2 gehandelt, darunter Marcinkus, und um Personen, die 1982 an der Ermordung des Finanzberaters des Vatikans, des P2-Bankiers Calvi beteiligt waren. Dass auch Albino Luciano Kontakte zu Opus Dei nachgesagt wurden, musste seinen Absichten, den schlimmsten Auswüchsen in Verstrickungen mit der Mafia und der P2 ein Ende zu bereiten, nicht zuwiderlaufen. Der überraschend frühe Tod nach nur dreiunddreißigtägiger Amtszeit zerstörte die Hoffnung aller, die eine Fortsetzung der Kirchenpolitik im Sinne Johannes XXIII. erwartet hatten und machte den Weg für den erzreaktionären Wojtyla frei.

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Quelle:
© 2013 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. September 2013