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STANDPUNKT/075: Papst Franziskus und die zerstrittene Christenheit (Ingolf Bossenz)


Was würde Jesus dazu sagen?

Ingolf Bossenz über Papst Franziskus und die zerstrittene Christenheit

27. Juni 2016


Papst Franziskus macht vor allem eines: einen guten Eindruck. So nahm er während seines Besuchs in Jerewan an einer Liturgie der Armenischen Apostolischen Kirche teil. Diese Kirche ist de facto autonom und nimmt für sich »apostolische«, also urchristliche, Gründung in Anspruch. Der Papst hat ihr nichts zu sagen - wie auch allen anderen außerhalb der römisch-katholischen Una Sancta existenten Christengemeinschaften.

Dessen ungeachtet äußerte der Pontifex den Wunsch nach »voller Einheit der Christen«. Dies fromme Begehren betrifft vor allem die Orthodoxen, die sich vor 962 Jahren von Rom separierten und just zum Zeitpunkt der päpstlichen Armenien-Visite erstmals zu einem Konzil versammelten. Dieses Treffen zeigte nicht nur die unüberwundene Zerstrittenheit mit der Papst-Kirche, sondern auch die andauernden Animositäten der Orthodoxen untereinander. Zumal deren größte und wichtigste Organisation, die russische, den historischen Termin auf Kreta schnöde sausen ließ.

Mit der »vollen Einheit« sieht es also trübe aus. Franziskus verpasst indes keine Gelegenheit, dem Islam seine apostolische Hochachtung zu versichern. Eine Demutsgeste, die den Christen in islamischen Ländern bislang nichts brachte. Die beliebte Frage »Was würde Jesus dazu sagen?« hilft da nicht weiter. Denn damals gab es weder Christen noch Muslime.

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Quelle:
Ingolf Bossenz, Juni 2016
Der Schattenblick veröffentlicht diesen Artikel mit der freundlichen
Genehmigung des Autors.
Erstveröffentlicht in Neues Deutschland vom 27.06.2016
http://www.neues-deutschland.de/artikel/1016646.was-wuerde-jesus-dazu-sagen.html


veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Juni 2016

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