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INTERNATIONAL/101: Venezuela - Yanomami fordern Schutz vor brasilianischen Goldsuchern (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 5. September 2012

Venezuela: Massaker an Yanomami - Indigene fordern Schutz vor brasilianischen Goldsuchern

von Humberto Márquez


Die Überlebenden des Massakers an Indigenen in Haximú im Jahr 1993 tragen Urnen mit den sterblichen Überresten ihrer Verwandten - Bild: © C. Zacquini/Survival International

Die Überlebenden des Massakers an Indigenen in Haximú im Jahr 1993 tragen Urnen mit den sterblichen Überresten ihrer Verwandten
Bild: © C. Zacquini/Survival International

Caracas, 5. September (IPS) - Bis zu 80 Männer, Frauen und Kinder vom Volk der Yanomami sollen am 5. Juli von brasilianischen Goldsuchern im Süden Venezuelas getötet worden sein. Die Anschuldigungen venezolanischer Indigenen-Organisationen wurden von den Behörden bisher nicht bestätigt.

"Die Zahl mag vielleicht nicht stimmen", meint José Ángel Divassón, katholischer Bischof in Puerto Ayacucho, der Hauptstadt des Bundesstaates Amazonas, in dem das Massaker den indigenen Berichten zufolge verübt wurde. "Aber die 'Garimpeiros' sind tatsächlich seit mehreren Jahren in unserer Region aktiv, und das Verhältnis zwischen ihnen und den hier beheimateten Ureinwohnern ist nicht immer einfach." Garimpeiros werden in Brasilien eigenständige Goldsucher genannt, die für kein Unternehmen tätig sind.

Die mutmaßlichen Opfer stammten aus Irotatheri, einem Dorf im venezolanischen Amazonas - dem südlichsten Zipfel des südamerikanischen Landes, das hier an Brasilien grenzt. Der Bundesstaat erstreckt sich über eine Fläche von 175.750 Quadratkilometer. 15 verschiedene Ethnien leben hier. Der Bundesstaat soll voller wertvoller Mineralien sein, doch hat die Regierung bereits 1989 die Ausbeutung aus Umweltschutzgründen verboten.

Am 27. August wandte sich die Yanomami-Organisation Horonami an die Generalstaatsanwaltschaft des Landes mit der Bitte, das Massaker näher zu untersuchen. Die einzigen Informationen über das Blutbad kommen bisher von drei Überlebenden des Anschlags aus der Gemeinde Irotatheri sowie von Bewohnern benachbarter Gemeinden, die zum Zeitpunkt des Massakers dort zu Besuch gewesen waren.


Explosionen und Schüsse

Die Überlebenden sind dem Anschlag entgangen, weil sie zur Jagd gegangen waren. "Bei ihrer Rückkehr hörten sie den Lärm von Rotorenblättern eines Hubschraubers sowie Explosionen und Schüsse direkt über dem 'Shabono' - einem Gemeinschaftshaus mit runden Wänden und einem Strohdach. Als sie näher kamen, stellten sie fest, dass das Haus, in dem 80 Personen lebten, niedergebrannt war", erzählte Luis Shatiwe, Leiter der Horonami-Organisation, gegenüber der Staatsanwaltschaft.

Auch Mitglieder der Gemeinde Hokomawe, die zur Zeit des Massakers in Irotatheri zu Besuch gewesen waren, sahen das verbrannte Shabono sowie verkohlte Leichen. Sie informierten Shatiwe und dieser wandte sich schließlich am 27. Juli an Verantwortliche der Brigade 53 der venezolanischen Streitkräfte, die in der Gegend eingesetzt sind.


Solidaritätserklärung von 13 Indigenen-Organisationen

13 Indigenen-Organisationen verschiedener Gemeinschaften haben sich mit den Yanomami solidarisiert. In einer öffentlichen Erklärung heißt es, dass diese bereits seit vier Jahren immer wieder mit illegalen Goldsuchern aneinandergeraten seien.

"Seit 2009 informieren wir immer wieder verschiedene staatliche Organe darüber, dass es in unserer Gegend Garimpeiros gibt und dass Mitglieder der Gemeinden Momoi und Hokomawe bereits häufiger Opfer von Bedrohungen und Angriffen geworden sind, und dass Frauen von ihnen vergewaltigt wurden. Außerdem verschmutzen sie unser Wasser mit Quecksilber", heißt es in dem Dokument.

Bisher, so die Anschuldigung, habe der Staat kaum reagiert. Er habe sich nicht darum bemüht, die Garimpeiros vom venezolanischen Staatsgebiet zu verweisen. Auch fehle es an einem Plan, wie die Goldsucher davon abgehalten werden könnten, immer wieder aufs Neue auf venezolanisches Gebiet vorzudringen. Die Indigenen-Organisationen fordern, dass die Regierung "bilaterale Gespräche mit Brasilien" aufnimmt und gemeinsame Maßnahmen abstimmt, um die Gefahr für das Leben und die Gesundheit der Yanomami abzuwehren.

In ihrer Erklärung erinnerten die Indigenen-Organisationen darüber hinaus an das von Garimpeiros begangene Massaker an 16 Yanomami in Haximú im Jahre 1993. Fünf der 24 Beteiligten wurden zu Haftstrafen verurteilt.

Die Staatsanwaltschaft will die diesjährigen Vorfälle nun untersuchen lassen. Dafür soll eine Kommission eingesetzt werden. Innen- und Justizminister Tarek El Aissami teilte mit, dass sieben von neun Yanomami-Gemeinden bereits kontaktiert worden seien, doch bisher keine Anzeichen von Gewalt zu erkennen seien.

"Falls sich die Informationen über das Massaker als falsch herausstellen sollten, dann müssen diejenigen, die die falschen Informationen verbreitet haben, mit rechtlichen Konsequenzen rechnen", sagte Verteidigungsminister Henry Rangel. (Ende/IPS/jt/2012)


Links:

http://www.ipsnews.net/2012/09/mystery-surrounds-reported-massacre-of-yanomami-village
http://www.ipsnoticias.net/nota.asp?idnews=101486

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 5. September 2012
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. September 2012