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INTERNATIONAL/134: Venezuela - Indigener Anführer im Kampf um Landrechte ermordet (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 5. März 2013

Venezuela: Indigener Anführer im Kampf um Landrechte ermordet - Regierung kündigt Untersuchung an

von Humberto Márquez



Caracás, 5. März (IPS) - In Venezuela ist Sabino Romero, ein Anführer der Yukpa-Indigenen, einem Mordanschlag zum Opfer gefallen. Angenommen wird, dass der Tod des 48-jährigen Aktivisten mit dessen Kampf um indigene Landrechte in Verbindung steht. Romero war zudem ein vehementer Kritiker der staatlichen Landaufteilungspolitik.

Drei Männer auf Motorrädern hatten Romero und dessen Frau am 3. März auf der Landstraße von El Tokuko 600 Kilometer westlich von Caracas im Perijá-Gebirgszug im Westen Venezuelas unter Beschuss genommen. Der Aktivist wollte an der Wahl eines Kaziken in einem Nachbardorf seines Heimatortes Chaktapa teilnehmen. Seine Frau Lucía Martínez wurde angeschossen, er selbst starb auf dem Weg ins Krankenhaus an den erlittenen Schussverletzungen.

"Wenige Stunden später wollten Angehörige des Militärs seinen Sohn festnehmen, der ebenfalls Sabino Romero heißt. Aber die Gemeindemitglieder hielten sie davon ab", berichtete der Anthropologe und Aktivist Lusbi Portillo gegenüber IPS.

Zu den Yukpa-Indigenen zählen heute 10.000 Menschen. Die Mehrheit von ihnen lebt in Venezuela, ein Teil ist auch auf der kolumbianischen Seite des Perijá-Gebirgszuges in den Anden zu Hause. Ein Großteil ihres traditionellen Kollektivlandes, auf dem sie Landwirtschaft und Viehzucht betreiben, wurde ihnen im 20. Jahrhundert von Großgrundbesitzern und Ölförderfirmen genommen.


Die Landfrage hat die Yukpa entzweit

Die Regierung von Präsident Hugo Chávez weigerte sich bisher, den Yukpa Landtitel für die rund 300.000 Hektar Land zuzusprechen, die sie für sich beanspruchen. Stattdessen bekamen einige Gemeinden einzelne Parzellen im Perijá-Gebirgszug zugesprochen.

Romero gehört zu der Fraktion, die diese Umverteilung ablehnt und der Regierung vorgeworfen hat, das Land für Bergbauaktivitäten zu reservieren. Er hatte die Behörden aufgefordert, die Großgrundbesitzer, die sich illegal auf indigenem Land niedergelassen hatten, mit der Zahlung von Entschädigungen dazu zu bringen, das indigene Land wieder freizugeben.

Um ihrer Forderung Nachdruck zu verleihen, besetzten Romero und andere Yukpa in den vergangenen Jahren 15 Landgüter. Die Regierung ging allerdings nicht auf die Forderungen ein. Dem 'Forum für das Leben' zufolge, einer lokalen Nichtregierungsorganisation, hatten die Behörden Romero in den vergangenen Jahren immer wieder als Kriminellen hingestellt. Das Forum verlangt nun eine eingängige Untersuchung seines Todes.

Die Behörden haben der Forderung bereits zugestimmt. Sowohl Innenminister Néstor Reverol als auch Francisco Arias, Gouverneur des Bundesstaates Zulia, in dem das Attentat verübt wurde, und die Staatsanwaltschaft versicherten, dass der Mordfall sorgsam untersucht werde, um die Täter zur Rechenschaft zu ziehen. "Der Anschlag auf Romero ist Teil der rechten Gewalt gegen die indigenen Völker" sagte Reverol, der sich persönlich nach Maracaibo, der Hauptstadt des Bundesstaates, aufgemacht hatte, um die Untersuchungen zu leiten.

Romero ist nicht der erste Yukpa, der eines gewaltsamen Todes starb. In den vergangenen fünf Jahren wurden acht Indigene, darunter José Manuel Romero, Vater von Sabino, getötet.

Bei der Auseinandersetzung zwischen verfeindeten Yukpa-Gemeinden geriet im Oktober 2009 auch ein kleiner Junge in das Gewehrfeuer und starb. Sabino Romero wurde dafür angeklagt und musste ein Jahr lang in Haft, bis ihn die Behörden schließlich der indigenen Rechtsprechung überließen.


Regierung gegen Entschädigungen

Tatsächlich wäre es vor zwei Jahren beinahe zu einer Einigung zwischen den Indigenen und den Großgrundbesitzern gekommen. Diese hätten sich darauf eingelassen, den Besitz gegen eine staatliche Entschädigungssumme den Yukpa zu überlassen. Doch Caracas weigerte sich, den Betrag aufzubringen. Die Regierung ist zwar bereit, den Indigenen ihr Land zurückzugeben, dessen Besitzverhältnisse mindestens seit 1848 ungeklärt sind, nicht aber Entschädigungen zu leisten. Stattdessen hat sie drei Millionen Hektar Land in ganz Venezuela "zurückerobert".

Das Perijá-Gebirge ist reich an Kohle und anderen Mineralien. Auf kolumbianischer Seite des Gebirgszuges wird bereits großflächig Kohle aus dem Berg geholt. Die Steinkohlemine El Cerrejón ist eine der größten des Landes. Lusbi Portillo fürchtet, dass ein Abbau auf venezolanischer Seite die Lebensbedingungen der Indigenen stark beeinträchtigen würde. (Ende/IPS/jt/2013)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. März 2013