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INTERNATIONAL/141: Bahrain - Ian Henderson und die Unterdrückung des Volkes, ein 40-jähriges Erbe (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 23. April 2013

Bahrain: Ian Henderson und die Unterdrückung des Volkes - Ein 40-jähriges Erbe

ein Gastbeitrag von Emile Nakhleh*



Washington, 23. April (IPS) - Der am 15. April bekannt gegebene Tod von Ian Henderson in Bahrain hat dem Leben eines britischen Ex-Agenten ein Ende gesetzt, der die harten Sicherheitsmaßnahmen der regierenden Al-Khalifa-Familie seit den Anfängen der Unabhängigkeit vor 40 Jahren zu verantworten hatte.

Hendersons Arbeit war eng mit dem Al-Khalifa-Clan und vor allem mit dem mächtigen Dauerpremier Khalifa bin Salman verwoben, dem Bruder des Machthabers. Die Herrschaft einer sunnitischen Minderheit über die schiitische Mehrheit zeichnete sich durch Diskriminierung, Ausgrenzung und Intoleranz aus, die von Henderson und dessen Handlangern orchestriert und vom Premier gutgeheißen wurden. Angst, Unterdrückung, systematische Menschenrechtsverletzungen und Folter sind das Erbe, das Ian Henderson dem Volk von Bahrain hinterlassen hat.

Der ehemalige britische Kolonialagent war berühmt-berüchtigt für seine brutalen Taktiken zur Niederschlagung der anti-britischen Mau-Mau- Bewegung in Kenia. Nach der Unabhängigkeit 1968 berief ihn die britische Regierung aus Kenia zurück und setzte in ihn Bahrain als Sicherheitsberater Al-Khalifas ein. Drei Jahre später wurde Bahrain ebenfalls von Großbritannien unabhängig. Der bahrainische Premierminister behielt Henderson als Sicherheitsberater und als Chef des Sicherheits- und Geheimdienstapparats seines Landes.

Seine Unterdrückungsmaschinerie beschäftigte Briten, Bahrainer, Omaner, Jordanier, Sudanesen, Pakistaner und andere Nationalitäten. Er war dem Ministerpräsidenten direkt verantwortlich und handelte in dessen Namen. Hendersons Aufgabe war es, Dissidenten und Pro- Demokratie-Aktivisten - Sunniten und Schiiten - aufzuspüren und zu vernichten.

Der Henderson unterstellte Sicherheitsapparat verbreitete Angst und Schrecken im Lande, wirkte einschüchternd und sorgte für die Einführung 'erweiteter Verhörmethoden'. Wie schon der Premier Anfang der 1970er Jahre betrachtete Henderson alle Menschenrechtsaktivisten, Verfassungs- und Demokratiebefürworter als "Radikale", "Extremisten" und "Terroristen". Viele wurden ohne Haftbefehl oder Anklage festgenommen, geschlagen und gefoltert.

Ich war von 1972 bis 1973 als Wissenschaftler für das US-Fulbright-Institut in Bahrain, wo ich Feldstudien über die Bildung eines neuen bahrainischen Staates betrieb. Bei einer Gelegenheit rief ich Henderson an, in der Hoffnung, mit ihm ein Interview zum Thema nationale Sicherheit zu führen. Doch er lehnte ab und erklärte, dass er in einem solchen Fall die Genehmigung des Premierministers einholen müsse, weil er diesem direkt unterstehe.


'Big Brother' allerorten

Das Interview kam nicht zustande. Doch als ich ihn auf einer offiziellen Veranstaltung traf und mich vorstellte, erklärte er: "Ich weiß, wer Sie sind. Wir behalten jeden, der sich hier aufhält, im Auge."

Bei anderer Gelegenheit wollte ich Henderson von einem Ministerbüro aus anrufen. Der Minister wurde nervös und ängstlich. Er wollte nicht, dass Henderson erfuhr, dass der Anruf von seinem Anschluss kam. "Jeder hat Angst vor Herrn Henderson. Er besitzt die absolute Autorität in Bahrain, weil er im Namen von Shaikh Khalifa handelt, und keiner traut sich, ihm in die Quere zu kommen", erklärte der Minister.

Henderson verbreitete Angst in der Bevölkerung, festigte die Macht des Premierministers und unterdrückte die kritischen Stimmen im Lande. Ende der 1970er Jahre besuchte ich einen bekannten Journalisten, der für die lokale Zeitung 'Al-Adwa' arbeitete. Sein Sohn war gerade aus dem Gefängnis entlassen worden, wo er wegen Aufwiegelung eingesessen hatte. Er war von Hendersons Sicherheitsoffizieren schwer misshandelt worden. Die Spuren der Misshandlungen waren auf seinem Körper nach wie vor sichtbar.

Als ich von Bahrain abflog, erkundigte ich mich bei einem neben mir sitzenden britischen Sicherheitsbeauftragten nach der Misshandlung des Journalistensohns. Da dieser bereits ein paar Drinks intus hatte, bestätigte er die Geschichte und räumte freimütig ein: "Ja, wir führen Verhöre durch, aber wir foltern nicht. Das tun arabische Söldner." Mit 'Söldnern' meinte er ehemalige Bürger arabischer Staaten, die in seiner Behörde beschäftigt waren.


Staatsterror funktioniert nicht ewig

Die letzten beiden Jahren haben gezeigt, dass das Regime auf die Taktik der Einschüchterung setzt. Doch hat es der Terror nicht vermocht, die Forderungen nach Reformen, Gleichheit und Demokratie in Bahrain zum Schweigen zu bringen. Vielmehr hat Hendersons Erbe das Land Bahrain weniger sicher und die Legitimität der herrschenden Familie und deren Langzeit-Kontrolle über das Land noch stärker in Zweifel gezogen.

Viele Bahrainer, die Hendersons außergerichtliche Methoden am eigenen Leib zu spüren bekamen, haben ihn oft als 'Schlächter von Bahrain' bezeichnet. Es ist jedoch interessant festzustellen, dass die Strategie, Angst zu verbreiten, dem Premierminister nur die wirtschaftliche und politische Kontrolle im Lande ermöglicht hat, nicht aber die Legitimität der Al-Khalifa-Autokratie. Ebenso wenig konnte der Clan den Ruf nach Gerechtigkeit und Partizipation nicht zum Schweigen bringen.

Die koloniale Mentalität, mit der sich die Al-Khalifa-Familie in den letzten zwei Jahrzehnten an der Macht halten konnte, funktioniert im 21. Jahrhundert nicht mehr. So wie andere arabische Länder nutzten auch junge Bahrainer und Pro-Demokratie-Aktivisten die sozialen Netzwerke, um sich untereinander ihre Entschlossenheit zu versichern, das Regime in die Knie zu zwingen.

Der Premierminister und die herrschende Familie sollten Ian Hendersons Tod zwei Jahre nach dem Beginn des Volksaufstandes als Symbol und starke Metapher für das neue Bahrain betrachten. 40 Jahre Gewalt konnten den Ruf nach Würde und Demokratie nicht zum Verstummen bringen. Sollten die Forderungen nicht im Jahr 2013 erfüllt werden, könnte Hendersons Erbe auch weiterhin mit Blut besudelt sein. (Ende/IPS/kb/2013)


* Emile Nakhleh ist ein ehemaliger Geheimdienstmitarbeiter, wissenschaftlicher Professor an der Universität von New Mexico und Autor des Buches 'Bahrain: A Political Development in a Modernizing Society' ('Bahrain: Eine politische Entwicklung in einer sich modernisierenden Gesellschaft').


Link:

http://www.ipsnews.net/2013/04/op-ed-ian-henderson-and-repression-in-bahrain-a-forty-year-legacy/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 23. April 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. April 2013