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INTERNATIONAL/142: Westjordanland - europäische Geber sollen Abriss der Ökostromprojekte verhindern (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 24. April 2013

Nahost: Ökostromprojekte im Westjordanland gefährdet - Europäische Geber sollen Abriss verhindern

von Mel Frykberg


Bild: Mel Frykberg/IPS

Eliad Orian von 'Comet' in einem Keller, von dem aus das Masafer-Yatta-Gebiet mit Strom versorgt wird
Bild: Mel Frykberg/IPS

Masafer Yatta, Westjordanland, 24. April (IPS) - Einige europäische Länder führen derzeit mit der israelischen Zivilbehörde, die das von Israel besetzte Westjordanland kontrolliert, einen verdeckten diplomatischen Krieg. Ziel ist es, die Zerstörung von Hilfsprojekten zu verhindern, die sie und andere Geber im Gesamtwert von einer halben Million Euro bereitgestellt haben.

Die von den beiden Physikern Elad Orian und Noam Dotan gegründete Organisation 'Community Energy Technology in the Middle East' (Comet) versorgt palästinensische Dörfer im Süden des Westjordanlandes seit 2006 kostenlos mit Strom aus Sonnen- und Windkraft. Mit ihrer Initiative wollten Orian und Dotan einen Beitrag gegen die zerstörerische Natur der israelischen Besatzung des palästinensischen Westjordanlandes leisten.

Bisher hat Comet 22 Stromanlagen in ebenso vielen Gemeinschaften installiert, von denen mehr als 1.500 palästinensische Bauern- und Hirtenfamilien im ariden Süden des Westjordanlandes profitieren.

Das Westjordanland ist in drei Zonen eingeteilt: Gebiet A befindet sich unter der Kontrolle Palästinas, Gebiet B unter palästinensischer und israelischer Kontrolle und Gebiet C - das 62 Prozent des besetzten Westjordanlands einschließlich Ostjerusalems umfasst - vollständig unter israelischer Kontrolle. In Gebiet C leben dort - nach internationalem Völkerrecht illegal - mehr als 500.000 israelische Siedler.

"Die israelischen Behörden, die Gebiet C ausschließlich den Siedlern vorbehalten wollen, sorgen absichtlich dafür, dass palästinensische Gemeinschaften von Straßen, Strom, Wasser- und Abwässer-Infrastrukturen abgekoppelt bleiben", meint Aya Shoshana von Comet im IPS-Gespräch.


Finanzhilfen und kostenloses Engagement

Das Stromprojekt der Organisation wurde von verschiedenen europäischen Staaten insbesondere Deutschland und internationalen Organisationen und Stiftungen mit etwa einer halben Million Euro bezuschusst. Der Aufbau der Stromanlagen hatte drei bis vier Jahre Arbeit in Anspruch genommen. Zahlreiche israelische und palästinensische Freiwillige hatten kostenlos an dem Projekt mitgearbeitet.

"Seit einem Jahr erhalten wir von der israelischen Zivilverwaltung Mitteilungen über Abrisspläne. Derzeit sind zehn Stromanlagen von der Zerstörung bedroht. In einem solchen Fall würde die Energieversorgung von mehr als 1.000 Palästinensern gekappt", berichtet Shoshan.

"Nach internationalem Recht ist Israel als Besatzungsmacht dazu verpflichtet, für das Wohlergehen der unter seiner Besatzung lebenden Palästinenser zu sorgen. Nicht nur, dass Israel dieser Verpflichtung nicht nachkommt. Es droht sogar damit, von internationalen Gebern geförderte Hilfsprojekte niederzuwalzen und damit das Leid der palästinensischen Gemeinden zu erhöhen."

Comet hat sich angesichts der Drohungen von Seiten der israelischen Zivilverwaltung nach diplomatischer Hilfe umgesehen. Die Folge waren Besuche diplomatischer Delegationen und Aufrufe hochrangiger europäischer Regierungsvertreter und Abgeordneter an die Adresse Israels, die Anlagen zu schonen. Auch hat Comet rechtliche Schritte eingeleitet und sich an die internationalen Medien gewandt.

"Die deutsche Regierung, ein wichtiger Geber, und andere europäische Geber haben Druck auf die israelischen Behörden ausgeübt, damit diese nicht mit den Zerstörungen weitermachen", erläutert Shoshan. "Wir sind sicher, dass das der Grund dafür war, dass die Zerstörung der Stromanlagen vorübergehend zum Stillstand kam. Doch damit ist die Gefahr nicht vom Tisch."


Wirtschaftswachstum und mehr Freizeit

Die Stromanlagen von Comet haben das Leben vieler Palästinenser und deren Familien beträchtlich vereinfacht und der lokalen Wirtschaft ein Wachstum von 70 Prozent beschert. "Sie können ihre verderblichen Erzeugnisse wie Käse und Butter inzwischen kühlen und müssen nicht mehr wie vorher ständig losziehen, um ihre Ware einzeln zu verkaufen", betonte Shoshan.

Die Butter- und Käseproduktion konnte dank der Einführung einer elektrischen Schleuder um 15 Prozent gesteigert werden. Vorher waren zwei Frauen über Stunden mit der manuellen Herstellung der Milchprodukte beschäftigt. Auch der Einsatz von kaltem Wasser hat die Effizienz des Produktionsvorgangs erheblich gesteigert. Zudem können die Bauern 50 Prozent mehr für das Endprodukt verlangen als früher.

Frauen brauchen die Wäsche nicht länger per Hand waschen. Dadurch verfügen sie über mehr Zeit, nach der Arbeit in der Landwirtschaft, fern zu sehen oder Radio zu hören. Die Kinder können abends ihre Hausaufgaben bei elektrischer Beleuchtung machen.

"Zum ersten Mal in meinem Leben fühle ich mich wie ein menschliches Wesen", meint Ali Awad aus der Ortschaft Tuba. "Wie kann es sein, dass diese kleinen Infrastrukturen von Israel als Gefahr wahrgenommen werden?" (Ende/IPS/kb/2013)


Links:

http://comet-me.org/
http://www.ipsnews.net/2013/04/israeli-cloud-hovers-over-green-energy/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 24. April 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. April 2013