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SCHACH-SPHINX/02796: War da Politik im Spiel? (SB)


Plötzliche Remisangebote in Großmeisterpartien können einen Laienspieler zuweilen zur Verzweiflung bringen. In Stellungen, in denen er selber nie und nimmer an ein Unentschieden gedacht hätte, reicht man sich überraschend die Hand. Ist da Politik im Spiele? fragt er sich. Ein Arrangement, das hinter den Kulissen der Schachbühne vereinbart wurde? Nehmen wir beispielsweise die 18. Partie im PCA- Weltmeisterschaftskampf zwischen Garry Kasparow und Nigel Short. Der Titelverteidiger hatte zuletzt einen schwarzen Bauern auf c7 geschlagen. Im Zuschauerraum rechnete man nun damit, daß Short kapitulieren würde, denn nach dem naheliegenden 1...Se4xg3 2.Kh2xg3 Lc6xf3 3.Kg3xf3 Td1-d2 4.Tc7xc5 Td2xb2 5.Tc5-a5 wären seine Rettungschancen gleich Null gewesen. Statt dessen allerdings bot Kasparow mit dem Schlagen auf c7 zugleich ein Remis an, das Short umgehend annahm. Kopfschütteln und die große Frage nach dem Warum! Nun, Wanderer, Kasparow ging im heutigen Rätsel der Sphinx davon aus, daß Short 1...Lc6-d7!? erwidern würde, und offenbar war Punkteteilung danach unvermeidlich. Verschenkte Kasparow nicht doch einen halben Punkt?



SCHACH-SPHINX/02796: War da Politik im Spiel? (SB)

Kasparow - Short
London 1993

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Die Zuschauer wußten ihm Dank zu sagen, als Wladimir Kramnik, ohnehin ein Freund taktischer Kapriolen, mit 1.Dc5-g5+ fortfuhr: 1...Kg8-h8 2.Dg5-f6+ Kh8-g8 3.h2-h4! - der Randbauer wird nunmehr zum Riesen - 3...c4-c3 - Schwarz hat nichts anderes - 4.b2xc3 Da8-b7 5.h4-h5 Db7- b1+ 6.Kg1-g2 e4-e3 - oder 6...h7-h6 7.Df6xh6 Db1-c1 8.Dh6-f6! Kg8-h7 9.h5-h6 Tf8-h8 10.Td2-d7 - 7.Td2-d4! Db1-f5 8.Df6xf5 e6xf5 9.Td4-d5 und Schwarz gab auf. Statt eines langatmigen Damen- fiel Kramnik ein kinderleicht zu gewinnendes Turmendspiel in die Hände.


Erstveröffentlichung am 17. Juni 1999

04. April 2010