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SCHACH-SPHINX/02816: Nur Theaterdonner, sonst nichts (SB)


Im ältesten bekannten schwedischen Schachbuch aus dem Jahre 1784 findet man einen merkwürdigen Lehrsatz. Man liest und stutzt, liest noch einmal und stutzt erneut. Es steht da tatsächlich geschrieben, ganz ungeniert: "Große Spieler rochieren nie." Eine kapriziöse Meinung, man kann es nicht anders sagen. Offenbar hatte auch das Verlagshaus Bedenken bekommen ob dieser frevelhaften Behauptung, denn ringsum in Europa rochierten die Meister munter darauf los mit ihren Königen in die Ecke. Man nahm also eine Korrektur vor, ersetzte das tollkühnige "nie" durch "selten", was sich zwar weniger totalitär ausnahm, den Sachverhalt dennoch nicht traf. Aber nachdem man sich schon so weit vorgewagt hatte, wäre ein gänzlicher Rückzug und Meinungsumschwung wohl einem Eingeständnis in den Sündenfall gleichgekommen. Nun denn, heutzutage wagt kaum ein Großmeister, seinen König in der Mitte zu lassen. Freilich bieten auch Rochadeecks dem Kontrahenten gute Angriffsmöglichkeiten. Im heutigen Rätsel der Sphinx beispielsweise zog Weiß zuletzt 1.Sf3-g5, Matt im nächsten Zug drohend. Allerdings war dies kaum mehr als Theaterdonner gegenüber der wirklichen Gefahr, die nun über den weißen König hinwegbrandete, Wanderer.



SCHACH-SPHINX/02816: Nur Theaterdonner, sonst nichts (SB)

Rivas - Morovic
Las Palmas 1993

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Statt sich moralisch einzustimmen, erhielt der holländische Großmeister Jan Timman eine Tracht Prügel auf Korfu. Sein griechischer Kontrahent Spyridon Skembris zog 1.Sf4xe6!, worauf der Holländer kapitulierte, denn 1...f7xe6 2.Tb1-b7 beraubte ihn aller Chancen.


Erstveröffentlichung am 23. Juni 1999

11. April 2010