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SCHACH-SPHINX/04989: Aaron Nimzowitschs Unartigkeiten (SB)


Keine anderen Schachanekdoten besitzen einen solchen Reiz wie jene über die Marotten des Rigaer Meisters Aaron Nimzowitsch. Seine streitbare Seele, sein unermüdlicher Feldzug gegen die seines Erachtens dürftigen Schachtheorien, der ganze Andrang rebellischer Jahre, sein starkes Geltungsbedürfnis, sein flammendes Anliegen, Neues, nie Dagewesenes, Revolutionäres zu schaffen, all dies war der beste Nährboden für die vielen Possen, die sich mit seinem Namen bis heute unvergeßlich verbinden. Aber hören wir einen Augenzeugen, der dabei war, als Nimzowitsch, wieder einmal von einem umtriebigen Geist umdrängt, ein Zeitdokument über seine skurrile Seele erstellte. L. Hoffer hatte in der englischen Zeitschrift "Field" bei der Glossierung der Partie Köhnlein-Nimzowitsch von Hamburg 1910 folgendes zu erzählen. Köhnlein hatte mit 1.e2-e4 begonnen: "Nimzowitsch blickte ein bis zwei Minuten lang sehr intensiv auf den Bauern e4, dann starrte er beträchtliche Zeit auf die Zimmerdecke, dann auf seine Hände, indem er offenbar sorgfältig zählte, wieviele Finger er an jeder Hand habe, und nachdem er sich klar überzeugt hatte, daß kein Finger fehle, stand er von seinem Stuhl auf und schaute sich die Bilder, die im Zimmer hingen, an. Dann kehrte er zu seinem Platz zurück, und da er dort ein rotes Papier fand, auf dem die neuen in Deutschland gebräuchlichen Uhren beschrieben waren, las er das Blatt aufmerksam durch und untersuchte darauf, ob der Mechanismus der Uhr auf dem Papier genügend klar bezeichnet war. Und noch immer war kein Zug geschehen. Einer der Zuschauer ersuchte mich um Aufklärung darüber. Ich sagte ihm, man brauche bezüglich Nimzowitschs Antwort nicht besorgt zu sein, da sein Zug c7-c6 sein werde. Bald darauf teilte mir der Herr mit, daß tatsächlich c7-c6 geschehen sei." Daß er neben seiner oftmals schwerverständlichen Gemütsart auch genial Schach spielen konnte, bewies er in seiner Partie gegen Hilse aus den frühen Wiener Tagen des 20. Jahrhunderts. Nimzowitsch spielte im heutigen Rätsel der Sphinx mit den weißen Steinen und unterstrich darin die Gefährlichkeit zweier Springer, Wanderer.



SCHACH-SPHINX/04989: Aaron Nimzowitschs Unartigkeiten (SB)

Nimzowitsch - Hilse
Wien 1904

Auflösung letztes Sphinx-Rätsel:
Mit unbestechlichem Auge siegte Meister Johannes Herman Zukertort dank des Damenopfers 1...Dh3xg2+!! 2.Kh1xg2 Te6-e2+ 3.Kg2-h1 Lf5-h3. Im Grunde war die Partie an dieser Stelle schon entschieden, doch der schottische Stolz George Henry Mackenzies wollte sich erst völlig in die Ecke treiben lassen, ehe er das Handtuch warf: 4.d3-d4 Lh3xf1 5.Dd1xf1 Te2xd2 6.Lc2-d1 Lb6-a5! Danach gab es auch für einen Schotten nichts mehr zu hoffen. Indes, auch 4.Tf1-g1 hätte die Niederlage nicht verhindern können: 4...Lb6xg1 5.Kh1xg1 Te2-g2+ 6.Kg1-h1 Te8-e2! und Schluß.


Erstveröffentlichung am 23. Mai 2001

14. Januar 2014





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