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SCHACH-SPHINX/05319: Wandlung vom Nachahmer zum Schöpfer (SB)


Die Vorstellung erscheint einem heutigen Schachspieler fast absurd, aber zu Zeiten des Mittelalters fand das Spielen einer Partie kaum Anklang unter der Bevölkerung. Vielmehr übte sie sich vornehmlich im Lösen von Problemstellungen. Das langwierige Brüten über dem Brett, um eigenhändig Strategien für Mattpositionen aufzubauen, widersprach einfach eklatant dem kurzatmigen Bedürfnis, sich im geselligen Rahmen angemessen amüsieren zu wollen. Da war es leichter, eine fertige Position zur Hand zu nehmen, in der ein Mattweg bereits vorgezeichnet war. Das lösungs- und antwortbezogene Denken der Menschen fand hier einen reichen Niederschlag. Das Streben nach individueller Entfaltung, der künstlerische Aspekt im Schaffen eines eigenes Werkes mutete ihnen wie Qual an, war etwas, daß nicht verstanden wurde, geschweige denn attraktiv genug war. Auch besaßen die meisten Probleme jener Zeit kaum eine gedankliche Tiefe. Einfachste Mattführungen beherrschten das Feld und ließen im Schach kaum mehr vermuten als ein simples Rätselraten. Es fehlte im wesentlichen auch die Plattform der Anerkennung. Damals gab es keine Turniere, wo man Preise erringen konnte. Erst in der Renaissance und ihrer Betonung des Leistungsgedankens kehrte man dem Schachproblem den Rücken zu und wollte statt Nachahmer von Vorhandenem vielmehr Schöpfer neuer Gedanken sein. Eine solch geistreiche Wendung wie in der Partie zwischen Paulsen und Bier, die, mit Schwarz am Zuge, zu einem schönen Patt führte, lag jenseits eines einfach gestrickten Unterhaltungswertes. Also, Wanderer, der nächste Zug des Nachziehende bescherte ihm im heutigen Rätsel der Sphinx einen halben Punkt!



SCHACH-SPHINX/05319: Wandlung vom Nachahmer zum Schöpfer (SB)

W. Paulsen - Bier
Hamburg 1885

Auflösung letztes Sphinx-Rätsel:
Ein König in der Mitte ist eine leichte Kriegsbeute, und so konnte Meister Pauke, hurtig auf die Trommel schlagend, mit 1.Sf3xd4! den Untergang der schwarzen Majestät einläuten, und zwar wie folgt: 1...e5xd4 2.Dd1-e2+ Ke8-f8 3.Tf1xf7+! Kf8xf7 4.Ld3-c4+ Kf7-f8 5.Lc1- g5! Sd7-f6 6.Ta1-f1 Sb8-d7 7.De2-e6 Dd8-e8 8.Tf1xf6+! Sd7xf6 9.De6xf6+!! g7xf6 10.Lg5-h6# Und das war der Lohn der vielen Opfer - das berühmte Canal-Matt.


Erstveröffentlichung am 06. Januar 2002

10. Dezember 2014





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