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SCHACH-SPHINX/05397: Der Erneuerer (SB)


Einer der Himmelsstürmer, die in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts das in Dogmatik erstarrte Schachspiel mit "neuen Ideen" zu revolutionieren hofften, war der 1889 in einem kleinen ungarischen Städtchen geborene Richard Réti. In der Heimat hielt es ihn jedoch nicht, und so machte er sich nach Wien auf, um dort Mathematik zu studieren. Aber ein anderes mathematisches System hatte ihn schon früh fieberhaft ergriffen, und so verbrachte er seine Studienzeit nicht in den Hörsälen, sondern überall dort, wo seinerzeit Schach gespielt wurde, nämlich in den Cafés der Wiener Metropole wie dem "Central". Überhaupt war Ungarn in jenen Tagen eine Schmiede schöpferischer Ideen, die das alte Schach der klassischen Ära von Grund auf bestürmten. Der Ex-Weltmeister Emanuel Lasker, der mit tiefblickendem Verstand den Wandel der Zeiten beobachtete, kommentierte die neue Bewegung und insbesondere ihren Vorreiter Réti folgendermaßen: "Sie alle richten sich nach theoretischen Grundsätzen. Bei Réti wird diese Neigung zur Schwäche, da er logische Schlüsse, die Gewicht haben, auf ein leichtes Tragwerk von Erfahrungen stützt, die das Gewicht offenbar nicht aushalten können." Nun, so schonungslos hart, wie Lasker mit Réti umsprang, verfuhr die spätere Geschichte nicht, die in Réti immerhin einen "Erneuerer" sah. Viel zu früh starb der ungarische Meister, der "vielleicht genialste Schachmeister seiner Generation", wie ihn der jugoslawische Meister Milan Vidmar nannte, 1929 an Scharlach. Beim heutigen Rätsel der Sphinx, sie stammt aus dem New Yorker Turnier von 1924, ließ er seinen Kontrahenten Efim Bogoljubow jedenfalls in glänzender Weise ins offene Messer laufen. Der Ungar hatte zuletzt 1.Ta1-f1 gezogen und dabei eine kleine taktische Finesse vorbereitet. Gab es für Schwarz noch irgendeine Rettung, Wanderer?



SCHACH-SPHINX/05397: Der Erneuerer (SB)

Réti - Bogoljubow
New York 1924

Auflösung letztes Sphinx-Rätsel:
Ein Luftloch und die schwarze Kombination, vom ehemaligen Weltmeister José Capablanca ersonnen, wäre nie und nimmer möglich gewesen. So jedoch mußte sein Kontrahent Bernstein die volle Zeche zahlen, als Capablanca nach 1.Sd4-b5 Tc7-c5 2.Sb5xc3? Sd5xc3 3.Tc2xc3 Tc5xc3 4.Tc1xc3 statt des von Bernstein erwarteten 4...Db6-b1+ 5.De2-f1 Td8- d1 6.Tc3-c8+ mit 4...Db6-b2!! die Partie gewann. Mindestens ein Turm ginge verloren, schlimmstenfalls käme nach 5.De2-e1 Db2xc3 6.De1xc3 Td8-d1+ ein Grundreihenmatt. So gab Bernstein nach 4...Db6-b2!! lieber gleich auf.


Erstveröffentlichung am 22. März 2002

26. Februar 2015


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