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SCHACH-SPHINX/05436: Nichts für sensible Gemüter (SB)


Für sensible Menschen kann das Schachspiel zu einer Tortur werden, für manchne wird es sogar zum Schicksal selbst. Das liegt weniger daran, daß sich das Schach, wenigstens im turnierrelevanten Bereich, durch die Doppelmoral von Sieger und Besiegter auszeichnet. Es gibt jedoch Menschen, für die stürzt eine Welt zusammen, wenn sich schachlicher und privater Erfolg nicht einstellen, mehr noch: wenn aus beiden Bereichen zugleich Hiobsbotschaften eintreffen. Der mexikanische Meister Carlos Torre war solch von tragischer Fall. Als er mit 21 Jahren in Moskau 1925 den ehemaligen Weltmeister Emanuel Lasker besiegte und sein Name wie ein Kometenschweif durch die Weltpresse zog, glaubte er den Höhepunkt seines Lebens erreicht zu haben. Von überallher trudelten Glückwunsch-Telegramme ein. Auch sein Heimatland floß vor Stolz über, nun, da Mexiko endlich einen Meister von Weltklasseformat besaß. An einer Universität, so schrieb ihm das Kulturministerium, plane man gar eine Fakultät einzurichten, wo er die aufstrebenden Studenten als Schachlehrer in die Tiefen des Königlichen Spiels einführen sollte. Sein Glück währte jedoch nicht lange. Im folgenden Jahr beim Turnier in Chicago erhielt er zwei Briefe aus seiner Heimat. Beide waren wie Messerstiche für ihn. Das Ministerium teilte ihm mit, daß er wegen fehlender akademischer Qualifikation für den Universitätsposten nicht mehr in Frage käme. Diese Meldung hätte genügt, den sensiblen Meister moralisch zu Boden zu werfen. Schlimmer jedoch traf ihn die Nachricht im zweiten Brief von seiner Verlobten, die mit kalt-nüchterner Lesart bekanntgab, daß sie während seiner Abwesenheit einen anderen geheiratet habe. Niedergeworfen von diesen beiden Schicksalsschlägen leistete er sich in der entscheidenden Partie gegen Eduard Lasker einen bösen Schnitzer, was ihm den Turniersieg kostete. Noch in derselben Nacht erlitt er einen Nervenzusammenbruch. An einem Schachturnier nahm er nie wieder teil. So schlimm wie sein Kollaps war auch seine Niederlage Jahre zuvor gegen Meister Adams gewesen, der ihn im heutigen Rätsel der Sphinx mit den weißen Steinen in einer weltberühmten Kombination besiegte, Wanderer?



SCHACH-SPHINX/05436: Nichts für sensible Gemüter (SB)

Adams - Torre
New Orleans 1921

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Der Eröffnungsreinfall war gravierend, und schon nach 6...Sc6xd4! gab Meister Panzalovic sofort auf, zu Recht, denn nach 7.Lb2xd4 Dd8-a5+ 8.Sb1-c3 Da5xc3+! hätte er massiv Material verloren.


Erstveröffentlichung am 27. April 2002

06. April 2015


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