Schattenblick → INFOPOOL → SCHACH UND SPIELE → SCHACH


SCHACH-SPHINX/05521: Linie der Konfrontation (SB)


Solange sich in einer Schachpartie beide Spieler auf die Entwicklung ihrer Figuren in ihrem zugestandenen Terrain beschränken, wird die Linie der Konfrontation kaum verletzt. Das ändert sich jedoch beim ersten Vorstoß ins feindliche Gebiet. Da der Gegner dies jedoch mit seinen Mitteln zu hintertreiben versucht, ist der Angreifer gezwungen, seinem Gegner im vollen Bewußtsein der Gefahr Vorteile einzuräumen. Dies geschieht allerdings nicht ohne Hintersinn. Bezweckt werden soll damit, die Kräfte des Gegner in der Ausnutzung ebendieser Schwächen im eigenen Lager zu zerstreuen, um seinerseits rascher zum geplanten Durchbruch zu kommen. Es entsteht so auf dem Brett eine Art von dynamischer Kompensationsstrategie. Für die eigenen Schwächen hofft der Angreifer unterm Strich eine aktivere Position zu bekommen. Der ehemalige Weltmeister Emanuel Lasker hat zu diesem Spielsystem die gedankliche Konzeption geliefert, die dann später insbesondere von sowjetischen Meistern zur Reife gebracht wurde. Diese hatten den Wert eines Qualitätsopfers völlig neu definiert. Der in Kauf genommene Materialnachteil wurde durch eine positionsaktive Kompensation aufgewogen, oft mit großem Erfolg. In diesem Fluß der Theorien und Auffassungen entstanden eine breite Anzahl von Varianten, die von der alten Schachtheorie bis dahin abschätzig beurteilt worden waren. Die statische Komponente der Betrachtung tritt gegenüber dem dynamischen Grundsatz in den Hintergrund. Insbesondere der ehemalige Weltmeister Wassili Smyslow wußte dieses Prinzip mit kenntnisreicher Schärfe anzuwenden, wie er im heutigen Rätsel der Sphinx unter Beweis stellt. Sein Gegner Botwinnik hatte zuletzt mit 1...Tc4-e4+ Schach geboten. Nun sollte er eine fürchterliche Überraschung erleben. Wie gesagt, Material ist immer nur so wertvoll, wie es sich einsetzen läßt! Kannst du dies Prinzip entschlüsseln, Wanderer?



SCHACH-SPHINX/05521: Linie der Konfrontation (SB)

Smyslow - Botwinnik
Moskau 1954

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Nach dem Fehlgriff 1...e5xd4? ging es mit der schwarzen Stellung schnell bergab, und zwar durch die wuchtigen Schläge 2.Lc4xf7+ Kg8-h8 3.Tg3xg7 Sd7-e5 4.Db3-e6 Se5-g6 - hierauf hatte sich der Nachziehende wohl verlassen - 5.Tg7xh7+! Kh8xh7 6.De6-f5 Tf8-g8 7.Df5-h5 Tg8-g7 8.Lh6-c1#


Erstveröffentlichung am 21. Juli 2002

30. Juni 2015


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang