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SCHACH-SPHINX/05566: Ein unverbesserlicher Fehdehandschuh (SB)


Aufbrausendes Temperament, ein Gemüt, das nie verlieren konnte, ohne den Umständen dafür lautstark die Schuld zu geben, dazu eine schier manische Leidenschaft fürs Glücksspiel, all dies zusammengenommen ergibt zweierlei: erstens eine unausstehliche Art und zweitens den französisch-polnischen Großmeister David Janowski, der zwischen 1894 und 1926 nicht nur die Turniere unsicher machte, sondern sich außerdem mit vielen Meistern überwarf. Woran das lag? Er war ein gefürchteter Angriffsspieler und als solcher vielleicht unfähig, maßvoll zu sein. Zu sehr hing auch sein Ego an seinen wilden Leidenschaften. So war sein Leben ein einziger dahinfliehender Rausch, ohne Ruhepol, ohne einen Hafen der Besonnenheit. Vergebens jagte er nach etwas, wofür er keinen Namen hatte. Ruhm galt ihm nichts und auf die Anerkennung seiner Umwelt blickte er nur verächtlich herauf. Dies kostete ihm wenigstens den treuesten Fürsprecher, den er hatte, nämlich den französischen Mäzen Nardus, der es sich nicht nehmen ließ, Janowskys üppige Spielschulden aus eigener Tasche zu bezahlen und sich auch nicht zu schade war, die Wettkämpfe gegen den damaligen Weltmeister Dr. Emanuel Lasker zu finanzieren. Mehr durfte er jedoch nicht. Auf den Turnieren, zu denen er den sturm- und dranghaften Meisterspieler begleitete, mußte er still in der Ecke stehen. Ihn heimlich bewundern, das konnte Janowsky nicht verbieten, aber wehe er unterstand sich, einen Kommentar zu seinem Spiel abzugeben. Und als dies einmal doch geschah, so ganz nebenher, ohne Zudringlichkeit, da platzte Janowsky der Kragen und er fuhr seinen Gönner mit bitteren Worten an: "Schweigen Sie, Sie Schachidiot!" Diese Fehde endete für Janowsky bitter. Nie reichte Nardus seinem einstigen Schützling wieder die Hand, und schon gar nicht sein Portemonnaie. Was Janowsky an menschlichem Feingefühl fehlte, das machte er auf dem Brett an Genialität wett. Im heutigen Rätsel der Sphinx war es Dr. Siegbert Tarrasch, der mit den schwarzen Steinen wüst aus seinem Refugium gerissen wurde, als er zuletzt 1...Da5-a6 zog. Welche Glanzkombination fand der unverbesserliche Fehdehandschuh namens David Janowsky, Wanderer?



SCHACH-SPHINX/05566: Ein unverbesserlicher Fehdehandschuh (SB)

Janowsky - Tarrasch
Ostende 1905

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Zu kompromittiert und verlassen stand der schwarze König von Michail Tal, so daß Garry Kasparows Springeropfer 1.Sh5xg7!, das nicht angenommen werden durfte, die Sache vor Ort klärte. Da auf 1...Kg8xg7 der Vorstoß 2.f5-f6+ vernichtend gewesen wäre, versuchte es Tal mit 1...Sd6-e4. Umsonst, nach 2.Ld3xe4 Te8xe4 3.f5-f6! Kg8-h7 4.Tf4xe4 d5xe4 5.Df2-f4 Ld7-c6 6.Ta1-e1 Dd8-f8 7.c3-c4 Df8xa3 8.Sg7-f5 Da3-f8 9.Te1-e3 Lc6-d7 10.Te3-g3 Ld7xf5 11.Df4xf5+ gab der Zauberer aus Riga auf. Die Lücken seiner Königsflügels waren nicht mehr zu kitten. Auf 11...Kh7-h8 wäre er an 12.Tg3-g7 zugrunde gegangen.


Erstveröffentlichung am 03. September 2002

14. August 2015


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