Schattenblick → INFOPOOL → SCHACH UND SPIELE → SCHACH


SCHACH-SPHINX/05645: Kritiker und andere Stinkstiefel (SB)


Von Quacksalbern und Scharlatanen sagte man früher, daß sie rasch wieder auf Reisen gehen müßten, weil sonst ihre geprellte Kundschaft hinter den Betrug gekommen wäre und sie eigenhändig aufgehängt hätte. Literaten und solche, die sich dafür halten, müssen in unserer kritikfreudigen Zeit dagegen nicht mit dem Gepäck unterm Arm leben. Aus der Disputierlust hat sich eine Kultur gebildet, die vom Schweiß des Schreibens lebt, indem sie krittelt, klagt und konspiriert, kurzum: auf Kosten anderer sich Ruhm erwirbt. Wo keine Klagemauer steht, baut man eben eine auf, und wer noch kein Renommee als Rufschänder besitzt, nun, der beeilt sich, gegen seine arrivierten Kollegen den Stinkstiefel zu benutzen. Das Wort angespitzt, die Feder mit Gift getränkt, beginnt das Kesseltreiben der Literaturkritik. Franz Gutmayer, selbsternannter Richter und Henker der frühen Schachtheorie, ging mit seltenem Eifer gegen seine durchweg erfolgreicheren Schachmeisterkollegen vor, indem er sich über deren Lehrsätze neidvoll mokierte. Als Freund des Angriffssschachs glaubte er sich über die komplizierten Strategeme seiner Zeitgenossen erhaben: "Man kann viel - verlernen! Vor allem - die Unschuld des Handelns. Das Schächerjungtier wird von vorneherein in einen engen Käfig von viereckig dummem System eingesperrt, - wird Bauerntheoretiker! Er wird dressiert darauf wie ein Zirkustier, daß der Bauer - heilig sei!!! Daß Defensive lobenswert, - Offensive lasterhaft!! So verbogen und verlogen kommt er ans Licht. Es blühen nur noch - Rechenmeister, enge Spezialisten - Tiere der Wüsten!" Ein heißer Dank ans Schicksal, daß Gutmayers Niveaulosigkeit keine Schule machte. Bei Fernpartien schreibt man sich selten. Kein Raum also für Schelte; geschimpft und bestraft wird nur durch Züge, dann jedoch hammerhart wie im heutigen Rätsel der Sphinx. Weiß am Zuge fragte sich, wie er Nutzen aus dem verlorenen Zusammenhalt der schwarzen Figuren ziehen konnte. Und du, Wanderer, was sagst du dazu?



SCHACH-SPHINX/05645: Kritiker und andere Stinkstiefel (SB)

Ekebjaerg - Hyldskrog
Fernpartie 1985

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Paul Keres zog zwar sonst nur das zweitbeste Los, aber in seiner Partie gegen Sajtar fand er doch einen erstklassigen Gewinnzug mit 1.Sa8xb6+! Prompt gehörte ihm der Sieg. Zu Recht, denn nach 1...Dc6xb6 2.Dd5-f5+ hätte sich Keres den schwarzen Damenläufer geholt, nach 1...Ld8xb6 freilich den schwarzen Königsturm: 2.Dd5-f7+ Kd7-d8 3.Df7xf6+


Erstveröffentlichung am 20. November 2002

01. November 2015


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang