Schattenblick → INFOPOOL → SCHACH UND SPIELE → SCHACH


SCHACH-SPHINX/05773: Jugendsünden der Überheblichkeit (SB)


Mehr als eine Spanne Selbstverwirklichkeit ist auf dem Schachbrett nicht hinzubekommen, mäkelte einst ein Schachspieler. Nie gelingen mir die Dinge, so fuhr er restlos verzweifelt fort, deren Gelingen mir im Grunde möglich sein müßten. In der Tat ein schwieriger Fall von betrogenem Recht. Weshalb er denn nicht zum Zuge komme, wollte sein Gegenüber wissen und ahnte die Antwort ammenhaft voraus. Zuviel Ehrgeiz, zuwenig Bodenständigkeit war aus der weinerlichen Stimme zu hören. Stellungen versprechen immer mehr, als sie zuletzt einhalten können. Das ist das Malheur und der Fallstrick vieler Spieler. Die schwindelerregenden Kombinationen der geistigen Ziehväter vor Augen, stürzen sie sich gern in verwickelte Kombinationen, verlieren die Übersicht, dann den Halt und zuletzt die Partie. Was sie nicht wissen, ist, daß es den Meistern des Fachs in ihrer schachlichen Jugend nicht anders erging. Nur daß die Partiensammlungen ihre schlimmsten Verlustmanöver gerne verschweigen. Man gewinnt dann leicht den Eindruck, als wären ihre Fehler nur verschüttete Siege gewesen und nicht das, was sie in Wahrheit sind: Jugendsünden der Überheblichkeit. Aber auch das reife Mannesalter ist nicht gegen Gedankenstürze gefeit, wie das heutige Rätsel der Sphinx beweist. Meister Müller, sonst ein wachsamer Geist, ließ sich zuletzt zu 1...Sf6-d7? verleiten, und ehe er noch begriff, welchen Unsinn er verzapft hatte, brach das Unheil auch schon über ihn zusammen. Kannst du es gewittern hören, Wanderer?



SCHACH-SPHINX/05773: Jugendsünden der Überheblichkeit (SB)

Lehmann - Müller
Länderturnier 1952

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Alt ist das Sprichwort vom Springer am Rand, aber nichtsdestoweniger jung in den Wiederholungen, und so mußte Meister Westerinen die Zeche aus eigener Tasche zahlen für seinen saloppen Springerausflug 1.Sf3- h4?, denn sein Kontrahent Kunsztowicz ergriff flugs mit 1...b5-b4! 2.Sc3-a4 Sc6-d4! 3.Le3xd4 e5xd4 4.f2-f3 d6-d5 die Initiative. Die Partie war im Grunde schon entschieden. Postionell war sie im Sack, aber Westerinen zappelte noch ungebärdig, bis er nach 5.a3xb4 d5xe4 6.f3xe4 Lb7xe4 7.Dd3xa6 Tc8xc2 8.Ta1-e1 d4-d3 9.Sa4-c3 Le4-a8 10.Da6- c4 Tc2xb2 11.Te1-b1 Dd8-b6+ 12.Kg1-h1 Tb2xb1 13.La2xb1 Db6xb4 ein verlorenes Endspiel vor sich hatte und sechs Züge später Adieu sagte.


Erstveröffentlichung am 27. März 2003

12. März 2016


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang