Über Schachmeister erzählt man sich die größten Heldentaten, insbesondere, wenn es um die ominösen Gedächtnisfertigkeiten geht. Ein Schachspieler, so der geschwätzige Volksmund, könne immens weit in eine Stellung hineinrechnen, die diversesten Möglichkeiten fast wie ein Parallelrechner durchsichten, diese Ergebnisse wieder miteinander verknüpfen und gegeneinander abwägen und mit einer dritten, vierten oder fünften Gedankenkette korrelieren lassen. Bei soviel schwindelerregendem Unsinn bleibt einem Meister ja nichts anderes übrig, als mit dem Kopf zu nicken und darauf zu hoffen, daß niemand eine ernsthafte Probe verlangt. Das gäbe dann ein böses Erwachen. Es klingt natürlich schmeichelhaft, was Eva Schmidt-Heinrich von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften vor Jahren so bewundernswert an Schachspielern fand, nämlich daß ihre Konzentrationsfähigkeit ihnen erlaube, "Denkvorgänge bei mehrfach geteilter Aufmerksamkeit" im Kopf laufen zu lassen. Es wäre schon eine Meisterleistung, wenn man sich unter diesem Fachgesimpel überhaupt etwas vorstellen könnte. Wenn Schachmeister ihre ohnehin flüchtigen Gedanken gleichzeitig auf verschiedene Bahnen schicken würden, wer sollte dann die Partie zu Ende spielen? Keiner dieser Flüchtlinge käme je zurück, und was als "Einfall" wieder in den Hirnkasten zurücktrudelt, nun ja, hinterher kann man immer behaupten, daß man ihn zur Erforschung der Stellung ausgeschickt hat! Also, Wanderer, im heutigen Rätsel der Sphinx geht es um Sieg oder Niederlage. Meister Unzicker mit Schwarz am Zuge verschenkte daran nur einen Gedanken!
Honfi - Unzicker
Bad Wörishofen 1991
Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Was ist schon eine Dame wert, wenn man statt dessen unsterblichen Ruhm
erlangen kann. Das mag sich vielleicht auch Meister Steiner gesagt
haben, denn nach 1.e3xf4 ließ er die holde Weiblichkeit stehen und
spielte 1...Ta8-e8!! Meister Eliskases hielt es offenbar doch mit dem
weiblichen Geschlecht, allein er war übelberaten, denn nach 2.f4xg5
Se4xc5+ 3.Ke1-d1 Sc5xb3 4.Sd4xb3 Lh3-g2 5.Sb3-d4 Lg2xh1 6.f3-f4 Te8-e4
7.Lc1-b2 Tf8-e8 erwies sich der Ruhm als dauerhafter als der Griff
nach der Dame.
Erstveröffentlichung am 29. September 2003
18. September 2016
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