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SCHACH-SPHINX/06610: Von einem Gespenst in die Irre geführt (SB)


Es war wirklich ein Kuriosum. Da saß der jugoslawische Großmeister Ljubomir Ljubojevic beim Turnier in Buenos Aires dem Inder Viswanathan Anand gegenüber. Beide beugten sich über eine Sizilianische Verteidigung. Die Stellung war überscharf, und nur die wenigsten Kommentatoren hatten sich bis dahin an sie herangewagt, so undurchdringlich, dschungelhaft verwachsen waren die Abwicklungen. Anand und Ljubojevic war die Variante jedoch wie auf den Leib geschneidert. Beide sind ja bekannt für ihre Vorliebe für durch und durch verwickelte Stellungen. Nun hatte der jugoslawische Großmeister als Nachziehender allerdings eine verblüffende Neuerung vorbereitet. Anand hatte im Jahr zuvor mit diesem Abspiel ganz gute Erfahrungen gemacht gegen den Russen Beljawski. Der neue Zug änderte jedoch die Bewertungsskala völlig. Anand geriet nach einem Qualitätsopfer in Schwierigkeiten, leistete sich schließlich einen Fehlzug, worauf Ljubojevic mit dem Gespür eines Fuchses, der Beute wittert, zuschlug. Die Partie schien für Anand verloren zu sein, doch da geschah das Unverständliche, und die Kommentatoren grübelten sich hinterher mehrere Nächte die Stirn heiß, warum Ljubojevic mehrere Male blind an einer siegreichen Fortsetzung vorbeigegangen war. Niemand konnte es in Buenos Aires fassen, daß ein hervorragender Taktiker wie er geradezu instinktlos die Partie an den Abgrund führte und schließlich im heutigen Rätsel der Sphinx mit 1...Sc4xd2?? gar alles verdarb. Mit 1...f7-f6 wäre er noch im Rennen geblieben. Im arabischen Kulturkreis sagt man in solchen Fällen irrationaler Verwirrung, ein Dschinn sei einem erschienen. Nun ist Ljubojevic Europäer - ob ihn dann doch ein Gespenst vom rictigen Weg weggelockt hatte? Nach dem Textzug war die Partie jedenfalls in wenigen Zügen verloren, Wanderer.



SCHACH-SPHINX/06610: Von einem Gespenst in die Irre geführt (SB)

Anand - Ljubojevic
Buenos Aires 1994

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Mit einem für sie typischen Biß beendete Judit Polgar ihre olympische Partie gegen den griechischen Spitzenmann Skembris. Nach 1.Lf3-d5! war der Grieche in allen Varianten verloren. Der Springer war zum Ausharren auf seinem Platz verdammt, sonst ging der Läufer verloren. Bringt sich der Läufer in Sicherheit, so kostet es dem Gaul das Leben. Und zuletzt war auch 1...Td6xd5 unzulänglich wegen 2.De2xe6+ Da4-d7 3.De6xd7+ Kc8xd7 4.Td2xd4


Erstveröffentlichung am 2. Juli 2005

29. Juni 2018


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