Die Meute der jungen Wölfe, von der sich Garry Kasparow auf seinem Thron Ende der 1990er Jahre bedroht fühlte, war so groß im Grunde nicht. Nur die Sterne wußten damals, und auch sie schüttelten die Köpfe, ob es jeweils einen weiteren Weltmeisterschaftskampf zwischen Kasparow und Anatoli Karpow geben würde. Die Zeichen sprachen eine andere Sprache. Die Wiedervereinigung der beiden Verbände schien seinerzeit keine Zukunft zu haben. Zu fürchten brauchte Kasparow seinen FIDE-Kontrahenten ohnehin nicht. Bei Viswanathan Anand und Wladimir Kramnik sah die Situation ganz anders aus. Beide hatten Kasparow 1998 bereits geschlagen und ihm wertvolles Terrain streitig gemacht. In Linares und Frankfurt mußte Kasparow sich mit bescheidenen Plätzen zufriedengeben. Anand oder Kramnik, so hieß es damals, würden unter sich über kurz oder lang ausmachen, wer Kasparow auf seinem Thron nachfolgt. Von Alexej Schirow glaubte unterdessen niemand so recht, daß er das Zeug dazu hätte, dem Mann aus Baku das Wasser zu reichen. Im heutigen Rätsel der Sphinx konnte Kasparow Anand noch in die Knie zwingen. Mit den schwarzen Steinen überschritt der Inder die Bedenkzeit in einer recht trostlosen Stellung. Es drohte einfach Df5xe6 mit Figurengewinn. Nun, Wanderer, hätte sich, gesetzt, seine Uhr wäre nicht abgelaufen, Anand nicht mit 1...Dg7-g5 verteidigen können?
Kasparow - Anand
Linares 1998
Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Die Stellung war wie gemacht für den gewaltsamen Opferzug 1.Dd2-h6+!!
Wundervoll, denn nach 1...Kg7xh6 2.Se5-f7+ nebst Rückgewinn der Dame
würden die beiden Türme in der Springergabel hängen. Den drohenden
Qualitätsverlust vor Augen floh der schwarze Monarch nach 1...Kg7-g8,
allein, auch für diesen Fall hatte Weiß eine nette Überraschung parat
mit 2.Se5xg6! Schwarz gab auf, als er sah, daß seine Bauern für nichts
verlorengingen. Nach 2...h7xg6 3.Dh6xg6+ bekäme Weiß seinen Springer
mit hohen Zinsen zurück.
Erstveröffentlichung am 17. Februar 2006
16. Februar 2019
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