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SCHACH-SPHINX/06881: Keine Schonung für das Sensibelchen (SB)


Großmeister, die zur Nervenschwäche neigen, haben einen schweren Stand. Sie kämpfen dann nicht nur gegen den Gegner, sondern auch gegen sich selbst. Wassili Iwantschuk, der ukrainische Großmeister aus Lwow, scherzhaft "Chuckie" genannt, ist solch ein Paradebeispiel. Seine Sensibilität und Empfindsamkeit wurden ihm schon häufig zum Stolperstein. Verliert er eine Partie, so trägt seine Seele schwer daran. Beispielsweise 1992 in Dortmund, wo er in der Schlußrunde den Turniersieg an seinen Rivalen Garry Kasparow abgeben mußte. So kann es geschehen, daß er mitten in einem Turnier nach erlittener Niederlage Zeichen tiefster Resignation zeigt, über Unwohlsein klagt und nicht mehr zu seiner Form zurückfindet. 1988 war er Zweiter bei der Jugendweltmeisterschaft. Danach begann sein Aufstieg in die oberste Großmeisterriege. Seine Talente sind unbestreitbar. Kaum einer seiner Kollegen besitzt so ein minuziöses Gedächtnis wie er. Nur diese ankränkelnde Charakterschwäche verhinderte, daß er den ganz großen Durchbruch schaffte. Die Geschichte der Schachkunst kennt mehrere Fälle wie ihn. Man denke da an den Rigaer Meister Aaron Nimzowitsch oder David Janowski. Ihre Exzentrik stand ihnen massiv im Wege. Daß Iwantschuk bei klarem Kopf Großartiges leisten kann, beweist das heutige Rätsel der Sphinx, wo er Kasparow einen gehörigen Denkzettel verpaßte. Selten sah man den Mann aus Baku in einer derart unerquicklichen Lage. Mit seinem nächsten Zug schlug Iwantschuk den Sargnadel in die schwarze Stellung, Wanderer.



SCHACH-SPHINX/06881: Keine Schonung für das Sensibelchen (SB)

Iwantschuk - Kasparow
Linares 1991

Auflösung des letzten Sphinx-Rätsels:
Primäres Ziel in diesem Endspiel mußte es sein, die Aktivität des weißen Turmes zu erhöhen, und das geschah am besten mit 1.h3-h4! Der Deckungszug 1...Tc7-g7 versprach nun wegen 2.Tc5-c4 Le4-d5 3.Tc4-d4 Kd6-e5 4.Td4-d2 g5xh4 5.c3-c4 Ld5-e4 6.Kg1-h2 keine Rettung. Der englische Großmeister John Nunn versuchte es daher mit 1...Le4xc6, mußte jedoch nach 2.Lb5xc6 Tc7xc6 3.h4xg5 f6xg5 4.Tc5xg5! Tc6xc3 5.Tg5xh5 Tc3-c4 6.b4-b5 Tc4-c5 7.Th5xc5 Kd6xc5 8.b5-b6 die Chancenlosigkeit seines Remisbemühens eomsehen. Nunn gab auf. Weiß erobert den schwarzen f-Bauern und der letzte auf dem Brett verbleibende weiße Bauer auf der g-Linie entscheidet.


Erstveröffentlichung am 30. März 2006

29. März 2019


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