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STELLUNGNAHME/001: Lasset die Kinder zu mir kommen? - zur Papstaussage zu Schlägen (Plattform EduCare)


Plattform EduCare - 7. Februar 2015
Elementarpädagogische Informationen der Arbeitsgruppe Kinderrechte


Kommentar
Lasset die Kinder zu mir kommen?

Eine Antwort auf die Ausführungen des Papstes zu Schlägen als legitime Erziehungsmittel

Die Debatte um Gewalt in der Erziehung geht eine Instanz höher. Dieses Mal ist es der Papst, der mit seiner aktuellen Aussage, Schläge in der Erziehung seien in Ordnung so lange das Gesicht gemieden wird, aufhorchen lässt und uns wiederum eines verdeutlicht: Auch 25 Jahre nach der Unterzeichnung der UN-Kinderrechtskonvention ist eine gesellschaftliche Auseinandersetzung mit der Frage nach einer kindgerechten und Kinderrechte beachtenden Erziehung immer noch dringend nötig.

Aus kinderrechtlicher Perspektive sind die von manchen Personen verharmlosten, ja sogar als legitim bezeichneten Erziehungsmethoden, wie Ohren-lang-ziehen, Übers-Knie-legen oder körperliche Schläge nicht nur psychologisch äußerst bedenklich, sondern in Österreich auch seit 1989 verboten. Wir sollten jedoch nicht bei einem klaren Nein zu körperlicher Gewalt stehen bleiben, sondern uns auch über andere Formen der Unterdrückung von Kindern Gedanken machen. In einer Gesellschaft, die von Erwachsenen gestaltet ist, haben Kinder kaum die Möglichkeit mitzugestalten. Eltern, PädagogInnen und andere Aufsichtspersonen entscheiden, wann ein Kind wo zu sein hat und wie es sich dort zu benehmen hat. Viele Kinder haben durchgeplante Tage, die wenig Freiraum zulassen. Sie verbringen den Großteil ihrer Zeit in Bildungs- und Betreuungseinrichtungen. Kinder finden das vor allem deswegen problematisch, weil sie dort ständig beaufsichtigt werden und selten frei entscheiden können, was sie spielen oder lernen möchten. Zudem führt der inadäquate PädagogInnen-Kind-Schlüssel besonders bei kleinen Kindern dazu, dass die Bedürfnisse nach Autonomie und Geborgenheit nicht gestillt werden können. Wir Erwachsenen sollten deshalb versuchen uns in Kinder hinein zu versetzen und die Welt mit Kinderaugen zu sehen. Würden wir als Gesellschaft es schaffen die Bedürfnisse unserer Kinder wahrzunehmen und ihnen Platz einzuräumen, dann müssten wir uns viel weniger damit beschäftigen, wie wir sie disziplinieren und maßregeln können.

Damit soll nicht bestritten werden, dass das Zusammenleben mit Kindern unter den aktuellen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen eine Herausforderung ist, und die damit verbundene Verantwortung Erziehungsberechtigte oft an ihre Grenzen bringt. In einer Gesellschaft, die bereits von Kleinkindern verlangt, dass sie sich an die Arbeitszeitregelungen ihrer Eltern anpassen und dementsprechend funktionieren; in einer Gesellschaft, in der die Eltern oder PädagogInnen womöglich von Existenzängsten gequält werden, und ein großer Teil der Erwachsenen mit alltäglichen Demütigungen auf Grund ihrer Herkunft, ihres Geschlechts oder ihrer Stellung in der Arbeitswelt konfrontiert sind; in einer Gesellschaft, in der Eltern wie PädagogInnen unter steigendem Leistungsdruck leiden, ist es mit Sicherheit eine Herausforderung die eigenen, erwachsenen Verpflichtungen und Anliegen, mit den Bedürfnissen von Kindern unter einen Hut zu bringen. Das enthebt uns Erwachsene aber nicht der Verantwortung. Es braucht also eine Arbeitswelt, die allen Eltern die Möglichkeit gibt, sich auf die Bedürfnisse ihrer Kinder einzulassen, sowie Konzepte und Rahmenbedingungen an Betreuungs- und Bildungseinrichtungen, die es PädagogInnen ermöglichen Kinder als eigenständige Persönlichkeiten wahrzunehmen.

Wir Erwachsenen tragen die Verantwortung die Grundlagen dafür zu schaffen. Anstatt zu versuchen Kinder an unzureichende Rahmenbedingungen anzupassen, sie zu kontrollieren, zu maßregeln und zu demütigen, sollten wir anfangen die Rahmenbedingungen zu verändern.

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Quelle:
Plattform EduCare - 7. Februar 2015

Elementarpädagogische Informationen der Arbeitsgruppe Kinderrechte
Pressedienst
Krausegasse 7a/10-11, 1110 Wien
E-Mail: Informationsdienst@Plattform-EduCare.org
Internet: http://www.plattform-educare.org


veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Februar 2015

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