Schattenblick →INFOPOOL →SOZIALWISSENSCHAFTEN → PÄDAGOGIK

SCHULE/255: Wenn Eltern abends in die Schule gehen ... (spw)


spw - Ausgabe 8/2008 - Heft 168
Zeitschrift für Sozialistische Politik und Wirtschaft

Wenn Eltern abends in die Schule gehen ...

Von Alexandra Kramm


Wenn die Kinder in die Schule kommen, beginnt der Ernst des Lebens - auch für die Eltern. In der Kita, da mussten sie ab und zu basteln oder Kuchen backen, event-orientierte Unterstützung eben. Mit der Schule wird alles anders. Jetzt wollen sie mitreden, was mit ihrem Kind geschieht. Es geht schließlich um die Zukunft. Zu diesem Zwecke wurde die Elternarbeit erfunden. Schon der Begriff suggeriert Anstrengung, Schweiß und Tränen. Mit Recht. Denn Elternarbeit ist die Kunst, ambitionierte Ziele für das eigene Kind im "Das nützt-allen-Kindern-Mantel" zu erreichen: Chor singen als Gruppenerlebnis oder Entspannung zur besseren Konzentration. Die Wünsche der Eltern sind so vielfältig wie ihre Kinder. Die Strategien zum Erreichen der Ziele ebenso:


Die Immer-Engagierten

"Wer hätte denn Lust das zu machen?" Sie gucken runter, versuchen das Gesicht zu verziehen, Desinteresse zu heucheln. Es gelingt ihnen nie. Sie haben quasi "Ich will" auf die Stirn tätowiert. Sie müssen einfach ja sagen und machen es auch noch gern: organisieren, bauen, Anträge schreiben, Tische schleppen und immer neue Ideen entwickeln. Kann gut sein, dass sie genauso viel Zeit wie ihre Kinder in der Schule verbringen. Wenn's im Elterncafé erstmal W-Lan gibt, richten sie sich dort häuslich ein, schließlich sind sie die rechten Hände der Schulleitung.


Die Spontan-Mutigen

Es ist ganz ruhig im Raum, keiner meldet sich. Nun schlägt ihre Stunde. Es ist eine spontane Idee: Ich könnte ja mal ... Und plötzlich sind sie Elternvertreter. Sie nehmen allen Mut zusammen und fallen danach wieder in sich zusammen. Man hört wenig von ihnen. Konkrete Ansprache hilft: "Was machen wir denn als Weihnachtsfeier?" Es gibt Ideen, Diskussion, eine Einigung und dann wieder Funkstille. Konkretes Nachfragen wird mit Grundsatz-Statements retourniert: "Weihnachten wird überschätzt" - "so hatte ich das nicht verstanden". Wenn alles fertig ist, sind sie stolz - die Immer-Engagierten auch, weil sie nicht vor Wut geplatzt sind.


Die Projektorientierten

"Ich hab nicht so viel Zeit", so lautet ihr Schutzschild. Das heißt so viel wie: Sie würden gerne, wenn sie nur könnten. Entsprechend bewegen sie sich im zwei-Schritte-vor-einen-zurück-Modus: Idee entwickeln, Umsetzung anfangen, an andere abgeben. Wenn sie dann nicht zufrieden sind, was bei den genauen Vorstellungen meist der Fall ist, dann geht es wieder von vorne los. Es ist die Kunst des Seiltanzes zwischen Engagement und Zugucken, zwischen dabei sein und nicht verantwortlich sein. Achtung, wer ausrutscht, wird leicht zum Immer-Engagierten.


Die Anerkennenden

Anerkennung ist das einzige, was Eltern für ihr Engagement bekommen. Gut, dass es Eltern gibt, die sich darauf spezialisiert haben. "Ihr macht das wirklich toll" ist ihr Beitrag zur Elternarbeit. Sie loben, schmeicheln und umgarnen die anderen Eltern und werfen dann, ganz beiläufig ein, dass man mal was zur Verkehrsberuhigung vor der Schule tun müsste. Und wenn sie Glück haben, dann stimmen die Immer-Engagierten und Projektorientierten ihnen zu und nehmen das neue Projekt in ihre Hände, während sie beim Gehen noch "Ihr könnt das einfach besser" murmeln.


Alexandra Kramm ist selbständige Kommunikationsberaterin und Coach in Berlin (www.schulter-blick.de) sowie seit kurzem Vorsitzende des Fördervereins der Gemeinschaftsschule Pankow e.V.


*


Quelle:
spw - Zeitschrift für sozialistische Politik und Wirtschaft
Ausgabe 8/2008, Heft 168, Seite 41
mit freundlicher Genehmigung der HerausgeberInnen
spw-Verlag / Redaktion GmbH
Abo-/Verlagsadresse:
Postfach 12 03 33, 44293 Dortmund
Telefon 0231/202 00 11, Telefax 0231/202 00 24
E-Mail: spw-verlag@spw.de
Redaktionsadresse:
Müllerstraße 163, 13353 Berlin
Telefon: 030/469 22 35, Telefax 030/469 22 37
E-Mail: redaktion@spw.de
Internet: www.spw.de

Die spw erscheint mit 8 Heften im Jahr.
Einzelheft: Euro 5,-
Jahresabonnement Euro 39,-


veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Januar 2009