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SCHULE/322: Bilingualer Unterricht mit Qualität (Agora - Uni Eichstätt-Ingolstadt)


Agora - Magazin der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt, Ausgabe 1 - 2011

Bilingualer Unterricht mit Qualität

Von Heiner Böttger


Die international bedeutendste Konferenz zum Thema "Content and Language Integrated Learning" (CLIL) fand im Herbst an der KU statt. Ziel war es, anhand von Praxisbeispielen Qualitätsmerkmale und Kriterien erarbeiten, um allgemeine Standards zu etablieren.


Der Professur für Englischdidaktik war es nach einer ausführlichen Bewerbung mit erfolgreicher Akkreditierungsbegehung durch das weltweit agierende CLIL-Cascade Network (CCN) gelungen, die international bedeutendste Konferenz "CLIL 2010: In Pursuit of Excellence" zum Thema Content and Language Integrated Learning (CLIL) im vergangenen Herbst nach Eichstätt zu holen. Zeitversetzt fand auf dem amerikanischen Kontinent in Bogota/Kolumbien die Schwesterkonferenz statt. CLIL, die neue Konzeption zum schulischen Lernen, die Englisch als Arbeitssprache nutzt, um Sachfachinhalte diverser Fächer (Wirtschaft, Geschichte, Erdkunde, Biologie, Chemie etc.) zu vermitteln, hat sich als Erfolgsmodell erwiesen und erfreut sich steigender Beliebtheit, weit über Europas Grenzen hinweg.

Die Überlegenheit dieses Lernansatzes gegenüber traditionellen Unterrichtsformen wurde u.a. in der DESI-Studie 2008 (Deutsch-Englisch-Schülerleistung-International) deutlich nachgewiesen. Sie ist vor allem darauf zurück - aufgrund seiner anspruchsvollen Themen und den authentischen Inhalten wesentlich motivierender auf die Schüler wirkt als herkömmlicher Unterricht. Der Umgang mit authentischen Inhalten, die in der Regel nicht didaktisiert sind, erfordert den gezielten Einsatz von sprachlichen und nicht-sprachlichen Unterstützungssystemen (= scaffolding) wie Mimik, Gestik, Visualisierungen usw., die sicherstellen, dass aus Input der Lehrkraft auch Intake der Schüler wird, und dass das erworbene Wissen auch adäquat versprachlicht werden kann.

Der bilinguale Unterricht ist im Vergleich zum regulären Unterricht besonders kompetenzorientiert, was vor allem darauf zurückzuführen ist, dass die erfolgreiche Integration von Sprache und Inhalt, Kultur und Kognition nur dann erfolgen kann, wenn die Schüler über entsprechende Lernstrategien und fachspezifischen Lern- und Arbeitstechniken verfügen. Diese Erkenntnis wurde von Prof. Heiner Böttger und OstR Oliver Meyer in dem europaweit sehr beachteten Band "Going CLIL" 2008 erstmals in konkreten Szenarien umgesetzt (siehe Einrückung unten).


Literatur

Mittlerweile in der vierten Auflage erschienen und als Vorlage für gerade entstehende Werke anderer Verlage dient "Going CLIL" als Vorbereitungswerk für den bilingualen Sachfachunterricht. Im 7. Schuljahr setzt der bilinguale Sachfachunterricht ein. Mit dem Buch können Lehrer ihre Schülerinnen und Schüler der 5. und 6. Klasse systematisch darauf vorbereiten. Neun Szenarien aus den Fächern Geschichte und Erdkunde vermitteln fachspezifische Strategien und festigen grammatische Strukturen.

Böttger, Heiner/Meyer, Oliver: Going CLIL.
Berlin 2008 (Cornelsen Verlag), 8,75 Euro.


Die Möglichkeit des Perspektivenwechsels, die eigene Kultur aus der Sichtweise einer anderen in der Fremdsprache neu kennenzulernen und zu bewerten, gilt als weiteres Markenzeichen dieses Lernsansatzes. Er ermöglicht die Ausbildung von so genannter "intercultural awareness", die ihrerseits als Voraussetzung für erfolgreiche interkulturelle Kommunikation gilt.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass CLIL angesichts einer zunehmenden mehrsprachigen (Arbeits-)welt ein innovatives Lerninstrument darstellt, das das Potenzial hat, Schüler auf die Anforderung einer globalisierten Welt ("lebenslanges Lernen", Arbeiten in internationalen Teams, etc.) adäquat vorzubereiten. Diese Thesen werden durch aktuelle Forschungsergebnisse, die zum Teil in Eichstätt zum ersten Mal einer breiteren Öffentlichkeit vorgestellt wurden, eindrucksvoll unterstrichen. So gilt mittlerweile als gesichert, dass bilinguale Lerner im Vergleich zu Schülern, die nicht am bilingualen Unterricht teilnehmen

• in den Bereichen Hör- und Leseverstehen einen Vorsprung von bis zu eineinhalb Jahren haben.
• über eine deutlich höhere Fähigkeit verfügen, komplexe Sachverhalte in der Fremdsprache auszudrücken.
• einen ähnlich hohen, in einigen Teilbereichen sogar höheren, Zuwachs an sachfachlichen Wissen verzeichnen.
• über erfolgreichere Problemlösestrategien verfügen.

Unter Experten ist unbestritten, dass der bilinguale Unterricht eine spezielle integrative Didaktik erfordert, die an CLIL-Lehrer besondere Ansprüche stellt. Die KU hat auf diese Herausforderung mit der Einrichtung eines Masterstudiengang CLIL reagiert, der gemeinsam von den Fachdidaktiken der Geographie, der Geschichte sowie der englischen Sprache und Literatur organisiert wird. Dieser Studiengang hat wegen seines innovativen Charakters großes internationales Interesse auf sich gezogen und findet mittlerweile zahlreiche Nachahmer. Für großes internationales Interesse sorgt auch der Pilotversuch "Realschule bilingual", an etwa 100 bayerischen Realschulen teilnehmen. Erfolgsrezept des Modellversuchs, der längst flächendeckenden Charakter angenommen hat, ist die Kombination aus einem gut funktionierenden Netzwerk, das den Lehrkräften entsprechend Unterstützung bietet und einem fundierten, in der Praxis gut umsetzbaren didaktischen Konzept, das von den Experten an der KU kontinuierlich weiterentwickelt wird. Der Pilotversuch wird von der Professur im Auftrag des Kultusministeriums wissenschaftlich begleitet und evaluiert.

Die KU hat sich hier besonders durch die kontinuierliche Begleitung der ca. 200 beteiligten Lehrkräfte einen ausgezeichneten Ruf erworben. Der spiegelt sich auch dadurch wider, dass Oliver Meyer, Mitarbeiter an der Professur Englischdidaktik, regelmäßig für Lehrerfortbildungen in mehreren europäischen Ländern (Estland, Finnland, Niederlande, Spanien, Österreich) angefragt wird. Er gilt mittlerweile als einer der international führenden CLIL-Experten und war zusammen mit Professor Heiner Böttger verantwortlicher Gastgeber der englischsprachigen Konferenz, die gemeinsam mit David March von der Universität Yväskylä/Finnland geplant und organisiert worden war.

Das konkrete Ziel der Konferenz, die erstmals in Deutschland stattfand und sich speziell an Lehrende aller Schularten und Schulstufen vom Primar- bis in den Tertiärbereich richtete, war es, anhand von Best practice-Erfahrungen und auf der Basis neuester empirischer Forschung Qualitätsmerkmale und Kriterien zu erarbeiten, die zukünftige Standards etablieren, um dadurch die Unterrichtskultur nachhaltig zu verbessern. In interaktiven Workshops und Vorträgen, thematischen Cafés sowie und zusammenführenden Forum Sessions gelang der intensive Austausch der über 400 Teilnehmer aus Europa, Lateinamerika, Australien sowie China. Nach Schularten, Fächern und Aspekten differenziert, lernten sie innovative methodische Verfahren, Konzepte und Materialien kennen, die direkt in den CLIL-Unterricht implementiert werden können. Analog zur Vorgängerkonferenz in Tallinn/ Estland 2008 wurden auch dieses Mal Experten von der EU-Kommission geladen, die die Antragstellung und Gestaltung von EU-Projekten unterstützten. Die Organisatoren der Tagung freuen sich über ein hervorragendes Feedback-Ergebnis der Tagung (99,5 % der Teilnehmererwartungen wurden u.a. übertroffen).


Prof. Dr. Heiner Böttger ist an der KU Inhaber der Professur für Didaktik der Englischen Sprache und Literatur. Zu seinen Forschungsgebieten gehören u.a. Legasthenie und Lese-Rechtsschreibschwäche bei Englischlernenden sowie bilingualer Sachfachunterricht.


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Quelle:
Agora - Magazin der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt
Ausgabe 1/2011, Seite 20-21
Herausgeber: Der Präsident der Katholischen Universität,
Prof. Dr. Andreas Lob-Hüdepohl
Redaktion: Presse- und Öffentlichkeitsreferat der KU,
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Tel.: 08421 / 93-1594 oder -1248, Fax: 08421 / 93-2594
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Internet: www.ku-eichstaett.de

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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Juni 2011