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BERICHT/050: Starthilfe für Kinder durch Schulung der Mütter zu Hause (idw)


Friedrich-Schiller-Universität Jena - 20.08.2007

Starthilfe für Kinder durch Schulung der Mütter zu Hause

Von der 13. Europäischen Konferenz zur Entwicklungspsychologie an der Universität Jena: die Preisträgerin des William Thierry Preyer Award für herausragende wissenschaftliche Leistungen bei der Erforschung der menschlichen Entwicklung


Jena (20.08.07) Cigdem Kagitcibasi, Professorin an der Koc Universität Istanbul, erhält für ihr Lebenswerk anlässlich der 13th European Conference on Developmental Psychology in Jena den William Thierry Preyer Award für herausragende wissenschaftliche Leistungen bei der Erforschung der menschlichen Entwicklung. Sie reist extra aus China an, um den Preis am Dienstag Abend (21.08., 19 Uhr im Hotel Steigenberger Esplanade) entgegen zu nehmen.

Die Psychologin ist Gründungsmitglied der Türkischen Akademie der Wissenschaften und sie hatte über viele Jahre Führungspositionen in internationalen Fachorganisationen inne. Für ihre Arbeiten wurde sie mit einer Vielzahl von Preisen geehrt und von weltweit führenden Hochschulen wie Harvard, Berkeley, Columbia und Duke als Visiting Professor eingeladen.

Kagitcibasi engagiert sich sowohl in der Grundlagen- als auch in der Angewandten Forschung. Die meisten Projekte mit Praxisbezug unterstützen Mütter und Kinder in schwierigsten sozialen Verhältnissen. Dabei kann sie auf umfassende eigene Forschungen in den Bereichen Familie, Elternschaft, frühe Kindheit und menschliche Entwicklung aufbauen. Die Psychologin hat dazu zahlreiche Forschungsprojekte in der Türkei und in anderen Ländern geleitet. So führte sie über 22 Jahre eine Longitudinalstudie durch zur besseren Vorbereitung der Kinder auf die Schule und zur Sensibilisierung der Familie für die Entwicklungsbedürfnisse des Kindes. Auf der Grundlage dieser Studie wurde dann das Mutter-Kind-Ausbildungsprogramm (Mother-Child Education Program, MOCEP) entwickelt. Die begleitende Evaluation zeigte beeindruckende Ergebnisse. Im Alter von 25 bis 27 Jahren wiesen die ehemaligen Programmteilnehmer, verglichen mit der Kontrollgruppe, eine höhere Bildung auf, hatten anspruchsvollere berufliche Positionen erreicht und sie nahmen aktiver an der heutigen Wissensgesellschaft teil, ausweislich der Nutzung des Computers für berufliche und private Kommunikation. Für Länder mit gering entwickelter Infrastruktur noch wichtiger war die Erkenntnis, dass sich ein Mangel an vorschulischen Einrichtungen auch durch Schulung der Mütter zu Hause kompensieren ließ.

Kagitcibasi war Mitgründerin der Stiftung Mother-Child Education Foundation (MOCEF), die in Zusammenarbeit mit dem Türkischen Bildungsministerium und der Weltbank bis zum heutigen Tage mehr als 250.000 Müttern und Kindern die Teilnahme an diesem Ausbildungsprogramm ermöglichte.

Das Projekt hat die politische Landschaft nicht nur in der Türkei verändert. MOCEP wird mittlerweile auch in anderen europäischen und arabischen Ländern eingesetzt. Die Stiftung bietet Menschen aus einfachsten Verhältnissen eine Vielzahl von Bildungsangeboten. Auf die Initiative von Professor Kagitcibasi hin wurden beispielsweise ein TV-Programm für Mütter und Kinder sowie Programme zur Alphabetisierung Erwachsener und zur Unterstützung von Vätern entwickelt und eingeführt. Damit erreicht MOCEF hunderttausende Familien - und will zur Verbesserung ihrer schwierigen Lebensverhältnisse beitragen. Ihre Vorhaben zeigen beispielhaft, wie frühe Intervention zur Förderung der positiven Entwicklung auf die besonderen ökonomischen und kulturellen Verhältnisse angepasst werden kann und damit spätere, viel kostenintensiver zu behebende Probleme vermeidet.

William Thierry Preyer (1841-1897), Professor für Physiologie in Jena, gilt mit seinem Buch "Die Seele des Kindes" (1882) als Begründer der modernen Entwicklungspsychologie. Mit dem nach ihm benannten Preis werden auch im internationalen Vergleich herausragende wissenschaftliche Leistungen bei der Erforschung der menschlichen Entwicklung und ihrer Kontexte durch einen europäischen Psychologen oder eine Gruppe von europäischen Psychologen gewürdigt.

Der William Thierry Preyer Award for Excellence in Research on Human Development wird in diesem Jahr erstmals vergeben. Er wurde von dem Politikwissenschaftler Prof. Dr. Klaus Dicke, Rektor der Friedrich-Schiller-Universität Jena, und von Prof. Dr. Rainer K. Silbereisen gemeinschaftlich gestiftet. Er soll zukünftig alle zwei Jahre auf der bedeutendsten Tagung der europäischen Entwicklungspsychologen vergeben werden. Sie wird in diesem Jahr, vom 21.-27. August 2007, durch das Center for Applied Developmental Science (CADS) der Friedrich-Schiller-Universität Jena ausgerichtet, das sich auch mit positiver Entwicklung und Intervention befasst.

Weitere Informationen unter:
http://www.esdp2007.de/index.htm
http://www.uni-jena.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/pages/de/institution23


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Friedrich-Schiller-Universität Jena, Anke Müller, 20.08.2007
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 22. August 2007