Schattenblick →INFOPOOL →SOZIALWISSENSCHAFTEN → PSYCHOLOGIE

BERICHT/063: Bochumer Psychologin macht Online-Bewerber-Tests sicherer (idw)


Ruhr-Universität Bochum - 17.06.2008

Mit Speed gegen Schummler: Bochumer Psychologin macht Online-Bewerber-Tests sicherer

Schnelligkeit und Unordnung helfen


Online-Assessment-Tests, die Bewerber von zu Hause aus bearbeiten können, sparen sowohl Arbeitsuchenden als auch Firmen Zeit und Geld - wenn sie denn ehrlich absolviert und keine unerlaubten Hilfsmittel genutzt werden. Gegen das immer häufigere "Faken" solcher Tests ist Dr. Julia Richter in ihrer Dissertation an der Fakultät für Psychologie (Lehrstuhl für Methodenlehre, Diagnostik und Evaluation, Prof. Dr. Heinrich Wottawa) zu Felde gezogen. Intensiv hat sie sich mit der Frage beschäftigt, wie Schummeln bei Testverfahren vermieden werden kann. In Kooperation mit den Personalexperten der eligo GmbH hat sie anschließend vier Online-Tests entwickelt, mit denen kognitive Fähigkeiten erfasst werden können. Schummeln wird durch das erzwungene Tempo und eine stete Umsortierung und Umgestaltung der Fragen praktisch unmöglich. Das Verfahren wird bereits von Firmen eingesetzt.

Der Ehrliche ist der Dumme

Mittels Online-Assessments, die Aufgaben zu kognitiven oder sozialen Fähigkeiten, zum Beispiel zum räumlichen oder analytischen Denken oder zu Führungseigenschaften stellen, können Unternehmen abschätzen, ob die Interessen, Fähigkeiten und Fertigkeiten des Bewerbers zu den Anforderungen der zu besetzenden Stelle passen. Allerdings wird viel geschummelt. "Testknacker"-Ratgeber häufen sich. Mittels Screenshots ist es außerdem für die Bewerber kein Problem, Kopien der Testaufgaben zu erstellen und diese auswendig zu lernen. Wenn sich beispielsweise ein Schüler auf einen Ausbildungsplatz bewirbt und einen Online-Test bearbeitet, kann er die Screenshots der Aufgaben anschließend unter seinen Klassenkameraden verteilen. Personaler haben keine Chance, das zu bemerken, denn da ein Bewerbungsverfahren kein Überwachungsakt werden soll, verbieten sich Lösungen wie etwa die Beobachtung via Webcam während der Testbearbeitung. Daher dienen Testverfahren immer nur der Negativ-Auswahl. Wer es trotz (potenzieller) Hilfe nicht schafft ein angemessenes Testergebnis zu erzielen, ist mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht geeignet. Zwar sind Tests sowieso immer nur ein Baustein im Auswahlverfahren, das um ein persönliches Kennenlernen ergänzt werden muss. "Das eigentliche Problem ist aber, dass die ehrlichen Teilnehmer benachteiligt werden, wenn einige Bewerber sich unfair verhalten und ihre Testergebnisse verfälschen", sagt Julia Richter.

Schnell und wechselhaft

Die Psychologin hat daher in Kooperation mit der eligo GmbH vier Online-Tests zur Erfassung kognitiver Fähigkeiten entwickelt, die sicherer sind. Die Tests sind so genannte "Speed-Tests": Die Zeit zur Bearbeitung der einzelnen Aufgaben ist stark limitiert - man muss schnell arbeiten, um ein gutes Testergebnis zu erzielen. Weiterhin sind sich die einzelnen Aufgaben sehr ähnlich. Beispielsweise müssen bei einem der Tests möglichst schnell bestimmte Zahlen identifiziert und per Mausklick markiert werden, etwa die Zweithöchste in einer Reihe anderer. Die Zahlen ändern sich mit jeder Aufgabe. Vom Teilnehmer unbemerkt sorgen zudem verschiedene Permutationsalgorithmen dafür, dass die Reihenfolge der Aufgaben sowie einige ihrer Gestaltungskriterien von Test zu Test variieren - das macht "Schummeln" fast unmöglich. Anspruchsvolle Aufgaben erwarten die Teilnehmer bei einem anderen Test: Hier müssen sie in kurzer Zeit Rechenaufgaben lösen, wobei die Zahlen durch Symbole ersetzt wurden. Um die Aufgabe zu lösen, müssen also zunächst die Zahlen-Symbol-Zuordnungen identifiziert werden. Diese wechseln aber von Aufgabe zu Aufgabe.

Probanden konnten nicht faken

In empirischen Studien konnte Julia Richter nachweisen, dass es kaum einem Testteilnehmer gelingt, seine Leistungen mit "Testfaking" zu verbessern, selbst dann nicht, wenn die einzelnen Teilnehmer während der Testbearbeitung Lösungshefte nutzen können, in denen jede einzelne Aufgabe mit der zugehörigen korrekten Lösung abgebildet ist. Neben der Verfälschungssicherheit wurden die für wissenschaftlich fundierte Testverfahren notwendigen Gütekriterien für die vier Tests statistisch überprüft. Die Daten fielen durchweg zufriedenstellend aus. Nach Abschluss der Dissertation werden die Testverfahren nun von Unternehmen in der Personalauswahl genutzt. Auch beim Studienberatungstool Borakel der Ruhr-Universität kommen einige der Tests zum Einsatz.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/pages/de/institution2


*


Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Ruhr-Universität Bochum, Dr. Josef König, 17.06.2008
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Juni 2008