Schattenblick →INFOPOOL →SOZIALWISSENSCHAFTEN → PSYCHOLOGIE

BERICHT/069: Intelligenz messen? (BI.research - Uni Bielefeld)


BI.research 33.2008
Forschungsmagazin der Universität Bielefeld

Intelligenz messen?

Von Michael Böddeker


"Intelligenz ist die Fähigkeit, neuartige Probleme zu lösen" sagt der Bielefelder Psychologie-Professor Dr. Rainer Riemann, "oder nach dem amerikanischen Psychologen David Wechsler die 'Fähigkeit des Individuums, zweckvoll zu handeln, vernünftig zu denken und sich mit seiner Umgebung wirkungsvoll auseinander zu setzen'." Verschiedene Aspekte der Intelligenz werden untersucht, wie etwa die soziale, "kinästhetische" (auf die Bewegungsempfindlichkeit bezogene) oder musische Intelligenz, und je nach Denkmodell unterschiedlich gruppiert oder Hierarchien zugeordnet. "Aber man kann durchaus von einer allgemeinen Intelligenz sprechen", erklärt Riemann, "zum Beispiel gibt es - anders als häufig angenommen - einen positiven Zusammenhang zwischen sprachlichen und mathematischen Fähigkeiten."


Die Erfindung des IQ

Allgemein bekannt ist der Begriff "Intelligenzquotient" (IQ). Er geht zurück auf die Franzosen Simon und Binet. Die beiden erhielten Anfang des 20. Jahrhunderts vom französischen Schulministerium den Auftrag, ein objektives Verfahren zur Intelligenzmessung zu entwickeln. Auf diese Weise wollte man lernschwache Kinder identifizieren, die zur Sonderschule gehen sollten. Riemann erklärt die Grundidee des Tests: "Es gab Fragen, die für verschiedene Altersstufen gedacht waren. Wer auch Fragen einer höheren Altersstufe beantworten konnte, hatte ein höheres Intelligenzalter. Berechnet wurde dann der IQ, indem man das 'Intelligenzalter' durch das Lebensalter dividierte, und diesen Wert mit 100 multiplizierte." Wenn ein Schüler also genau die Fragen seiner Altersstufe beantworten konnte, ergab sich ein Wert von 1 mal 100, 100 also. Dieser Wert ist auch heute noch der Durchschnitts-IQ, allerdings wurden die Methoden zur Berechnung verfeinert. "Der Begriff 'Quotient', der auf eine Division verweist, ist nur noch historisch zu verstehen", sagt Riemann. Der IQ von zwei Drittel der Bevölkerung liegt zwischen 85 und 115. Bei einem IQ von mehr als 130 ist häufig die Rede von einer Hochbegabung - wohl auch durch den Verband "Mensa", der ab diesem IQ Mitglieder aufnimmt.


Gene und Umwelt

Die Messung von Intelligenz ist Riemann zufolge heute unproblematisch, und auch zu den Ursachen für Intelligenz gibt es aussagekräftige Studien: "In der Kindheit wirken sich die Gene zu etwa 40 Prozent auf die Intelligenz aus. Insgesamt 50 Prozent beträgt der Einfluss der Umwelt. Im Erwachsenenalter lässt der Einfluss der Umwelt nach." Ermitteln lassen sich diese Zahlen zum Beispiel durch Studien und Vergleiche an eineiigen Zwillingen. Wachsen diese in derselben Familie auf, sollten sie etwa denselben Einflüssen von Umwelt und genetischer Veranlagung ausgesetzt sein. Bei getrennt aufgewachsenen eineiigen Zwillingen, die beispielsweise von verschiedenen Familien adoptiert worden sind, unterscheiden sich dagegen die Einflüsse der Umgebung. Im Laufe der Zeit wurden hierzu viele Studien und Metastudien angestellt. "Die Intelligenz ist heute eines der am besten untersuchten Merkmale in der Verhaltensgenetik", sagt Riemann.


Kluge leben länger

Und das aus gutem Grund: "Intelligenz ist der beste Faktor zur Vorhersage von Erfolg in Schule, Beruf und Studium." Neben dem schulischen Erfolg gibt es aber auch noch weitere, auf den ersten Blick überraschende Korrelationen: "Intelligente Menschen leben durchschnittlich länger. Hierfür gibt es verschiedene Erklärungsansätze, beispielsweise ein besseres Mitwirken der Patienten im Falle einer chronischen Erkrankung", so Riemann. Das Wissen hierüber sei sehr wichtig, denn "die Intervention muss darauf abzielen, dass die Patienten mitwirken. Das kann durch entsprechende Schulungen erreicht werden." Lässt sich der IQ einer Person durch Übung erhöhen? Riemann ist skeptisch: "In den USA gab es Kampagnen wie 'Head Start', um den IQ in benachteiligten Bevölkerungsgruppen zu erhöhen. Es gibt ein gewisses Potential, aber auf lange Sicht ist so etwas wirkungslos. Statt auf den IQ sollten Schulungen eher auf die Verbesserung spezifischer Kompetenzen gerichtet sein."

Allerdings nehmen bestimmte Fähigkeiten im Laufe eines Lebens zu und ab. Langzeituntersuchungen zeigten, dass die Wahrnehmungsgeschwindigkeit zwischen einem Alter von 25 und 88 Jahren kontinuierlich abnimmt. Der Höhepunkt der sprachlichen Fähigkeit liegt dagegen bei über 50 Jahren. Schöne Aussichten für Studierende, die schon Angst vor einem Alter von 30 haben: Es wird nicht alles schlechter.


*


Quelle:
BI.research 33.2008, Seite 53-55
Forschungsmagazin der Universität Bielefeld
Herausgeber: Universität Bielefeld, Referat für Kommunikation
Anschrift der Redaktion:
Referat für Kommunikation der Universität Bielefeld
Postfach 10 01 31, 33501 Bielefeld
Telefon: 0521/106-41 46, Fax: 0521/106-29 64
E-Mail: bi.research@uni-bielefeld.de
Internet: www.uni-bielefeld.de/Presse/fomag/

BI.research erscheint zweimal jährlich.


veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Januar 2009