Schattenblick →INFOPOOL →SOZIALWISSENSCHAFTEN → PSYCHOLOGIE

FORSCHUNG/139: Ist Gier meßbar? (idw)


Friedrich-Schiller-Universität Jena - 24.02.2010

Ist Gier messbar?

Psychologe der Universität Jena erhält Schumpeter-Fellowship der VolkswagenStiftung


Jena (24.02.10) Irren ist menschlich. Und Banker sind auch nur Menschen. Das ist spätestens seit der anhaltenden Weltwirtschaftskrise bekannt. Als Ursache für die folgenschweren Entscheidungen der Finanzberater und Investoren werden immer wieder leichtsinniges Handeln und zuviel Selbstsicherheit genannt.

"Emotionen - sowohl positive als auch negative - haben einen entscheidenden Einfluss auf unser Handeln", sagt Dr. Johannes S. Hewig von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Für seine Untersuchungen zu "Psychologischen Einflussfaktoren bei ökonomischen Entscheidungen" hat der Jenaer Forscher eines der renommierten Stipendien der VolkswagenStiftung erhalten. Mit dem "Schumpeter-Fellowship" würdigt die Stiftung seit 2006 junge Wissenschafter, die bahnbrechende Forschungsprojekte vorantreiben und durch Kooperationen über die Fachgrenzen hinaus neue wissenschaftliche Wege gehen. Der mit gut 500.000 Euro dotierte Preis stellt Hewig umfassende Sach- und Personalmittel zur Verfügung, die es ihm ermöglichen, seine Studien in den kommenden fünf Jahren fortzusetzen.

Die Wirkung von Emotionen auf unser Verhalten genauer zu beschreiben, um dieses gegebenenfalls sogar steuern zu können, ist das Ziel des Forschungsprojektes, welches Dr. Hewig am Lehrstuhl für Biologische und Klinische Psychologie der Uni Jena leitet. "Ein wichtiger Aspekt in der Steuerung von Verhalten wird durch das Gesetz des Effektes beschrieben", erläutert der Psychologe. "Es besagt, dass wir durch Belohnung oder Erfolg zur Wiederholung unserer Taten angeregt werden", so Hewig weiter. Diese Erkenntnisse aus der klassischen Lernpsychologie will er nun in einen ökonomischen Kontext einbetten. Das Projekt ist in drei Schwerpunkte unterteilt.

Den ersten Bereich nennt Hewig das "Ultimatum-Spiel", welches von Werner Güth entwickelt wurde: Anhand computersimulierter Szenarien werden Testpersonen in zwei Gruppen aufgeteilt, welche miteinander um virtuelle Geldbeträge "spielen". Dabei möchte der 35-jährige Psychologe herausfinden, welche emotionalen Zustände die Entscheidungen der Spieler beeinflussen. Führen besonders negative emotionale Zustände zu einer egoistischen Handlungsweise? Und welche Prozesse spielen sich dabei im Gehirn ab? Ist Gier womöglich messbar?

In seiner zweiten Probandengruppe widmet sich Hewig der speziellen Gefühlswelt von Jugendlichen. "Da diese in ihrer Entwicklung des Frontalhirns noch nicht vollkommen abgeschlossen sind, haben sie oftmals Probleme, ihre Emotionen zu kontrollieren und neigen zu einem erhöhten Risikoverhalten", sagt der Jenaer Psychologe. Er möchte nun herausfinden, ob Jugendliche deswegen sensibler auf Emotionen und Veränderungen reagieren als Erwachsene.

Das dritte Teilprojekt mit dem Namen "Entscheidungsprozesse unter Risikobedingungen" soll die Wirkung von Bestrafungs- und Belohnungseffekten bei riskanten wirtschaftlichen Entscheidungen untersuchen. "Als Probanden für diese Gruppe wurden Unternehmer ausgewählt", erzählt Hewig.

Äußere Reize, wie Filme, sollen gezielt Emotionen auslösen. Durch Messungen der Gehirnaktivität erhofft sich der Psychologe schließlich Antworten auf eine Vielzahl von Fragen: Sind die Probanden aus dem "Ultimatum-Spiel" in ihren Entscheidungen risikofreudiger, wenn sie positiv gestimmt sind? Anders gefragt: Macht uns ein gewisses Sicherheitsgefühl waghalsiger? Was passiert in uns, wenn Informationen fehlen? Die Vermutung, dass Finanzanleger in scheinbar unsicheren Zeiten aus Angst durchaus zurückhaltender handeln als in Zeiten der Euphorie, könnte dann eine wissenschaftliche Bestätigung erfahren.

"Die ersten neuen Ergebnisse liegen uns vielleicht bereits im Herbst vor", hofft der Wissenschaftler von der Universität Jena. Möglicherweise bleibt uns dadurch ja eine weitere Finanzkrise erspart.

Weitere Informationen unter:
http://www.uni-jena.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/pages/de/institution23


*


Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Friedrich-Schiller-Universität Jena, Christin Domin, 24.02.2010
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 2. März 2010