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VERKEHR/040: Warnsignale aus dem Navi (idw)


Julius-Maximilians-Universität Würzburg - 13.10.2009

Warnsignale aus dem Navi


An Kreuzungen kracht es in Deutschland am häufigsten. Forscher aus Wissenschaft und Industrie suchen deshalb nach Wegen, deren Gefahrenpotenzial zu verringern. Die Verkehrspsychologen der Universität Würzburg unterstützen sie dabei in einem neuen Forschungsprojekt.

2,3 Millionen Unfälle musste die Polizei in Deutschland nach Angaben des Statistischen Bundesamtes im Jahr 2008 aufnehmen. Dabei kamen 4.477 Menschen ums Leben, 70.644 wurden schwer und 338.403 leicht verletzt. Nach wie vor ereignen sich die meisten Unfälle, bei denen Personen zu Schaden kommen, innerhalb von Ortschaften; die häufigste Unfallart dort ist das, was Statistiker so bezeichnen: "Zusammenstoß mit einem anderen Fahrzeug, das einbiegt oder kreuzt".


Das Forschungsprojekt

"Kreuzungen sind für den einzelnen Fahrer häufig nur schwer zu überschauen. Die Verkehrsituationen sind äußerst komplex. Fehler der Verkehrsteilnehmer haben dort oft gravierende Folgen", sagt auch Hans-Peter Krüger, Professor für Psychologie an der Universität Würzburg und Leiter des Interdisziplinären Zentrums für Verkehrswissenschaften. Wie sich Kreuzungen entschärfen lassen, daran forschen Krüger und seine Mitarbeiter in der gerade vom Bundeswirtschaftsministerium gestarteten "Forschungsinitiative Ko-Fas".

Ko-Fas steht für "Kooperative Sensorik und kooperative Perzeption für die Präventive Sicherheit im Straßenverkehr" und setzt sich aus drei unterschiedlichen Teilprojekten zusammen. 19 Partner aus Industrie und Wissenschaft arbeitet beispielsweise daran, Fußgänger für Autos mit Hilfe kleiner Sensoren in der Kleidung sichtbar zu machen, auch wenn sie hinter parkenden Pkw versteckt sind. Ein anderes Team untersucht, wie Fahrzeuge miteinander kommunizieren und somit Unfälle vermeiden können.


Die Aufgabe der Verkehrspsychologen

"Wie kann ich einen Autofahrer am besten darüber informieren, dass es auf der Kreuzung gleich gefährlich werden könnte?" Auf diese Frage suchen die Psychologen vom Interdisziplinären Zentrum für Verkehrswissenschaften eine Antwort. An einer Musterkreuzung in Aschaffenburg installieren Techniker dafür eine ganze Reihe von Sensoren, die das Verkehrsgeschehen möglichst genau analysieren. "Diese Daten schicken sie dann an sich nähernde Fahrzeuge, damit diese ihre Schlüsse daraus ziehen können", erklärt Hans-Peter Krüger.

Fährt beispielsweise ein Fahrzeug bei Rot über die Ampel, werden alle anderen Fahrer im Umkreis sofort gewarnt. Theoretisch wäre es sogar denkbar, dass ihre Autos selbstständig bremsen. Und welche Rolle spielen dabei Psychologen? "Wir müssen dafür sorgen, dass der Fahrer diese Warnung auch tatsächlich versteht", sagt Krüger.

Der Vorteil dieser Vorgehensweise liegt in den vergleichsweise niedrigen Kosten: "Die Pkw müssen keine teuren Sensoren eingebaut bekommen. Sie benötigen nur ein Empfangsgerät. Die Intelligenz liegt in der Technik an der Kreuzung", so der Krüger.


Teststrecke im Simulator

Auf der Basis der realen Daten, die in Aschaffenburg an einer echten Kreuzung gewonnen werden, wollen Krüger und seine Mitarbeiter in einem Simulator tatsächliche Situationen "nachspielen" und dabei untersuchen, wie eine Warnung aussehen muss, damit sie auch beim Fahrer ankommt. Zum Einsatz könnte dabei ein Display kommen, wie es schon vom Navigationssystem genutzt wird. "Das zeigt den Straßenverlauf und schickt dann bei Bedarf die Warnung vor einer gefährlichen Begegnung raus", so Krüger.

Aus Sicht der Psychologen ist dieses Projekt noch unter einem anderen Aspekt interessant: Wenn heute ein Auto seinen Fahrer warnt, weil er zu dicht auffährt oder versehentlich die Spur wechselt, kann der sofort nachprüfen, ob das tatsächlich stimmt - ein Blick genügt. "Bei einer unübersichtlichen Kreuzung fällt das weg. Da muss man dem System ohne Prüfung glauben", sagt Krüger. Inwieweit Verkehrsteilnehmer dazu bereit sind, ist für die Psychologen äußerst spannend.


Die Forschungsinitiative

Ko-Fas wird von Autoherstellern, Automobilzulieferern, Universitäten, Fachhochschulen sowie Instituten von Forschungsgesellschaften aus ganz Deutschland getragen. Die Arbeiten werden zu einem Teil aus Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und zu einem anderen Teil aus Mitteln der Wirtschaftspartner finanziert. Die Würzburger Verkehrspsychologen erhalten daraus rund 700.000 Euro in den kommenden vier Jahren.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/pages/de/institution99


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Julius-Maximilians-Universität Würzburg, Gunnar Bartsch, 13.10.2009
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Oktober 2009