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VERKEHR/046: Wer bremst für wen? Ökonomen untersuchen Sozialverhalten im Straßenverkehr (idw)


Institut zur Zukunft der Arbeit - 19.04.2011

Wer bremst für wen? Ökonomen untersuchen Sozialverhalten im Straßenverkehr


Das Verhalten von Autofahrern liefert interessante Aufschlüsse über altruistische Tendenzen in der Gesellschaft. Das zeigt eine aktuelle Studie australischer Forscher, die das Bonner Institut zur Zukunft der Arbeit (IZA) veröffentlicht hat. Der Untersuchung zufolge sind männliche und ältere Verkehrsteilnehmer überdurchschnittlich häufig bereit, ihre Vorfahrt an andere abzutreten.

Ein Forscherteam der Universität Queenland beobachtete während des Berufsverkehrs an ausgewählten Straßenkreuzungen in der Metropole Brisbane, in welchen Fällen vorfahrtsberechtigte Autofahrer andere vorließen. Bei ihren rund 1000 Beobachtungen notierten die Wissenschaftler den jeweiligen Fahrzeugtyp, Alter und Geschlecht des Fahrers sowie die Zahl der Insassen.

In fast 40 Prozent aller Fälle verzichteten die Verkehrsteilnehmer auf ihre Vorfahrt und ließen Fahrzeuge aus einer Seitenstraße einscheren. Bei älteren Autofahrern lag der Anteil sogar noch höher. Allerdings beharrten Frauen deutlich häufiger als Männer auf ihrem Vorfahrtsrecht, vor allem dann, wenn das andere Fahrzeug ebenfalls von einer Frau gelenkt wurde. Auch Männer diskriminierten gegen das eigene Geschlecht, verhielten sich aber umso zuvorkommender gegenüber Frauen.

Sozialer Status und der "Neidfaktor" spielen ebenfalls eine Rolle: Fahrer von Luxuskarossen wurden deutlich seltener vorgelassen - außer von Fahrern ähnlich teurer Autos. Die wiederum ließen "Rostlauben" ihrerseits seltener passieren. Waren weitere Passagiere im Auto, verhielt sich der Fahrer häufiger altruistisch. Andere Verkehrsteilnehmer, die ihre Vorfahrt abtraten, nahmen sich Fahrer vor allem dann zum Vorbild, wenn der Vordermann einen ähnlichen Wagen fuhr.

"Menschen neigen offenbar dazu, Mitglieder der eigenen sozialen Gruppe am ehesten altruistisch zu behandeln und zum Vorbild zu nehmen", erklärt Redzo Mujcic, der die Forschungsarbeit gemeinsam mit dem Wirtschaftsprofessor Paul Frijters verfasst hat.

Die englischsprachige Studie, über die das Handelsblatt in der Montagsausgabe vorab berichtete, ist kostenlos über die IZA-Homepage abrufbar.

Redzo Mujcic, Paul Frijters:
Altruism in Society: Evidence from a Natural Experiment Involving Commuters
IZA Discussion Paper No. 5648
http://ftp.iza.org/dp5648.pdf

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution1155


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Institut zur Zukunft der Arbeit, Mark Fallak, 19.04.2011
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 21. April 2011