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MELDUNG/151: Unentschieden rettet Sebastian Sylvester den Gürtel (SB)



Roman Karmazin nach spektakulärem Kampf knapp gescheitert

Sebastian Sylvester hat vor 4.500 Zuschauern im Jahnsportforum Neubrandenburg seinen IBF-Titel im Mittelgewicht erfolgreich verteidigt. Gegen den russischen Pflichtherausforderer Roman Karmazin rettete er durch ein glückliches Unentschieden nach zwölf Runden seinen Gürtel. Erstaunlich waren die enormen Differenzen in den Wertungen der drei Punktrichter. Während nämlich John Duke Lawson aus den USA den Champion mit 118:111 klar in Front sah, notierte sein Landsmann Matthew Podgorski 111:117 und der Kanadier Pasquale Procopio kam auf 114:114. Bei der ARD verfolgten im Schnitt 3,31 Millionen Zuschauer den Kampf, die für eine Marktanteil von 26 Prozent sorgten.

Beide Kontrahenten gingen von Beginn an ein hohes Tempo. Karmazin war zunächst aktiver, doch gelangen dem 29 Jahre alten Greifswalder, der vom Publikum wie immer stürmisch angefeuert wurde, die ersten Treffer. Dies setzte sich auch in der zweiten Runde fort, die der zehn Zentimeter kleinere Champion mit seiner Führhand gestaltete, während der Russe mit einer Serie von Haken das Seine zu einem turbulenten Auftakt beitrug. In Runde drei ging der 37 Jahre alte Herausforderer variabler zu Werke und hatte gute Momente, worauf das Kampfgeschehen zunächst ausgewogen wirkte.

Mit fortschreitender Kampfdauer übernahm Karmazin zunehmend die Regie und setzte häufiger Treffer. Sylvester konnte sich seltener gegen den erfahrenen Gegner durchsetzen, mit dessen linker Führhand er reichlich Probleme hatte. Erst in den letzten Durchgängen gewann der Titelverteidiger die Oberhand und traf Karmazin kurz vor Ende der neunten Runden mit einer schwerer Rechten. Vom Publikum vorangetragen boxte Sylvester nun wie beflügelt und zeigte sehenswerte Kombinationen, worauf der inzwischen deutlich gezeichnete Herausforderer im elften Durchgang sogar angeschlagen wirkte. Karmazin mobilisierte allerdings in der letzten Runde noch einmal die verbliebenen Kräfte und drang vehement auf den Titelverteidiger ein, der diese Angriffe jedoch bis zum Schlußgong überstand.

Nach dieser erfolgreichen ersten Pflichtverteidigung steht Sylvesters Bilanz bei 33 Siegen, drei Niederlagen und einem Unentschieden. Roman Karmazin, der in Los Angeles lebt, hat 40 Kämpfe gewonnen, drei verloren, zwei unentschieden und einen ohne Wertung beendet.

Wie Sebastian Sylvester hinterher berichtete, sei er diesmal sehr nervös gewesen. Er habe sich mit einer oder zwei Runden in Führung gesehen und am Ende als Sieger gefühlt, doch sei der Kampf sehr eng verlaufen. Wieder habe sich die Unterstützung des Publikums insbesondere gegen Ende ausgezahlt, als ihn die Zuschauer noch einmal euphorisch anfeuerten und dafür sorgten, daß er die Initiative zurückeroberte.

Roman Karmazin, der früher IBF-Weltmeister im Superweltergewicht war, beanspruchte den Sieg für sich: "Natürlich habe ich diesen Kampf gewonnen. Aber wenn man nach Deutschland kommt, hat man wenig Siegchancen", sagte Karmazin verbittert, der sich um den Titel betrogen fühlte. Sein Promoter forderte einen Rückkampf, da das Ergebnis so knapp gewesen sei.

Am Tisch der IBF-Delegierten kam es bei der sieben Minuten dauernden Auswertung der Punktzettel zu einer Kontroverse, als die Ergebnisse des Kanadiers ein zweites Mal geprüft wurden. Im Lager Karmazins fürchtete man eine Manipulation und wollte die Neuauszählung fotografieren. Da es dabei zu einem Gerangel kam, griff der Sicherheitsdienst ein. Wie das Umfeld Sylvesters dazu anmerkte, habe bei der ersten Zählung von 114:113 ein Fehler vorgelegen, da es bei der IBF keine unentschiedenen Runden gebe. "Wir dachten, er wollte die Zettel klauen", sagte Sauerland-Sportkoordinator Hagen Doering.


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Steve Cunningham wieder IBF-Weltmeister im Cruisergewicht

Im zweiten Hauptkampf des Abends holte sich der US-Amerikaner Steve Cunningham den IBF-Titel im Cruisergewicht zurück. In seinem ersten Kampf für das Team Sauerland besiegte der 33jährige den Kanadier Troy Ross durch technischen K.o. in der fünften Runde und sicherte sich den vakanten Gürtel.

Steve Cunningham ergriff sofort die Initiative, traf häufig mit seinem Jab und boxte sehr beweglich, so daß er immer wieder Schläge ins Ziel bringen konnte. Der Kanadier blieb zwar gefährlich, doch gelang es ihm kaum, seinen Gegner in ernsthafte Schwierigkeiten zu bringen. Die große Ausnahme war eine harte Rechte in der vierten Runde, mit der er den US-Amerikaner zu Boden schickte. Cunningham wurde zwar angezählt, kam aber rasch wieder auf die Beine und versetzte Ross einen Treffer, der eine tiefe Rißwunde unter dem Auge des Kanadiers zur Folge hatte.

Auf Anweisung des Ringrichters wurde der Kampf nach einer Sekunde der fünften Runde abgebrochen. Wie Ringarzt Walter Wagner mitteilte, habe es sich um einen vertikalen Cut gehandelt, bei dem das Auge freilag. Da bei Fortsetzung des Kampfs eine Erblindung nicht auszuschließen war, sei der Abbruch unvermeidlich gewesen.

Der Kanadier befand, daß die Entscheidung in Ordnung gehe. Schließlich hätten Ringarzt und Ringrichter ja in seinem Interesse und im Sinne seiner Gesundheit gehandelt. Er müsse sich die Szene aber noch einmal in Ruhe ansehen. Cunningham war natürlich überglücklich, sich seinen alten Titel zurückgeholt zu haben. Es sei zwar ein harter Kampf gewesen, doch habe er nicht daran gezweifelt, diesen Gegner besiegen zu können. Der neue Champion bedankte sich bei seinem gesamten Team, da man hart für diesen verdienten Erfolg gearbeitet habe. Er habe die anderen drei amtierenden Weltmeister in dieser Gewichtsklasse bereits geschlagen und wolle nun der beste Cruisergewichtler der Geschichte werden.

Promoter Kalle Sauerland rühmte Cunningham als großen Champion und erinnerte noch einmal daran, wie gut man in dieser Gewichtsklasse aufgestellt sei, wo man mit Marco Huck ein weiteren Weltmeister unter Vertrag habe. Angedacht sei ein neues Super-Six-Turnier, über dessen genaue Ausgestaltung freilich noch gesprochen werden müsse. Klar sei indessen schon jetzt, daß sich die Boxfans in aller Welt darauf freuen könnten, daß dabei die Besten gegeneinander antreten.

6. Juni 2010