Schattenblick →INFOPOOL →SPORT → BOXEN

MELDUNG/380: Stunde der Wahrheit für Odlanier Solis rückt näher (SB)



Auch Ahmet Öner bangt um ein Ende seines Höhenflugs

Der Exilkubaner Odlanier Solis schickt sich an, seine einst von der kubanischen Gesellschaft getragene und geförderte Boxerlaufbahn, die er durch seinen Abgang an die Fleischtöpfe der USA privatisiert hat, mit dem Gewinn der Profiweltmeisterschaft zu krönen. Dabei steht ihm allerdings Vitali Klitschko im Weg, den seit Jahren niemand mehr besiegt hat. Mit dem Mund erklärt Solis den Ukrainer schon lange für abgesetzt und in Rente geschickt, doch ob seine Fäuste am 19. März dieselbe Sprache sprechen, muß sich erst noch herausstellen.

Klitschko hat seine eigentümliche Kampfesweise, die nicht selten als Armutszeugnis für den Boxsport kritisiert worden ist, im Kontext seiner physischen Voraussetzungen zu hoher Effizienz perfektioniert. Zudem ist es ihm gemeinsam mit seinem langjährigen Trainer Fritz Sdunek auf fast wundersame Weise gelungen, sich aus einem Sportinvaliden in einen physisch robusten und konditionell kaum zu übertreffenden Athleten zurückzuverwandeln, der mit 39 Jahren wesentlich jüngere Kontrahenten auseinandernimmt.

Natürlich hat auch Odlanier Solis eine Menge zu bieten, gehörte er doch zu den besten Schwergewichtlern, die der legendäre kubanische Boxsport hervorgebracht hat. Als dreimaliger Weltmeister und Olympiasieger von Athen 2004 brachte er beste Referenzen ins Profilager mit, wo er inzwischen 17 Siege auf dem Konto hat. Wie von Promoter Ahmet Öner seit Jahren herbeigeredet, klopft der Kubaner nun ans Tor des Champions, um dessen Festung zu stürmen und ihn im Triumpf zu beerben.

Da die Götter vor den Sieg bekanntlich den Schweiß gesetzt haben, bereitet sich Odlanier Solis derzeit ausgiebig mit dem britischen Nachwuchstalent David Price vor. Dessen hervorstechendes Merkmal sind weniger die acht Siege im Profilager, als vielmehr eine Körpergröße von 2,03 m, die es ihm erlaubt, als Sparringspartner den älteren Klitschko zu simulieren. Der Bronzemedaillengewinner der Olympischen Spiele 2008 muß am 5. Februar einen Commonwealth-Ausscheidungskampf gegen Osborne Machimana bestreiten, worauf er nach Deutschland reist, um Solis zur Verfügung zu stehen.

Neu ist diese Aufgabe für ihn nicht, da er schon im Frühjahr 2010 dem Polen Albert Sosnowski bei dessen Vorbereitung au den Titelkampf im Gelsenkirchener Fußballstadion half. Damals war die Bastion Klitschko nicht zu bezwingen, was Price natürlich nur recht sein kann, sichern ihm die Ukrainer als Weltmeister doch ein einträgliches Zubrot als Sparringspartner für deren Herausforderer. Davon abgesehen, kann der Brite natürlich eine Menge lernen, wenn er mit hervorragend ausgebildeten Boxern wie Solis trainiert.

Dies hebt Promoter Frank Maloney hervor, der auf die Effizienz des stilistisch so unschön boxenden Klitschko verweist, dem Price in dieser Kampfesweise am nächsten komme. David könne einen Blick darauf werfen, wie weit er noch von diesem Level entfernt ist, und sich zugleich eine Meinung von Solis bilden, dem viele zutrauen, das Monopol der Klitschkos zu brechen.

Unterdessen scharrt Ahmet Öner ungeduldig mit den Hufen, rückt doch auch für ihn die Stunde der Wahrheit näher. Wird es ihm gelingen, seinen turbulenten und mitunter mit recht eigenwilligen Mitteln beförderten Aufstieg als Promoter mit seinem ersten Schwergewichtsweltmeister zu krönen? Er hat seinerzeit viel Geld dafür bezahlt, Solis und eine Reihe weiterer kubanischer Boxer ausschleusen zu lassen. Als sie in Deutschland nicht unter Kontrolle zu bringen waren und im Konsum unterzugehen drohten, statt diszipliniert zu trainieren, brachte er sie in Miami mit ihren früheren Amateurtrainern zusammen. Zuguterletzt teilte er die Promotion seines Zugpferds auch noch mit Don King, um schnellstmöglich einen Titelkampf anzusteuern.

Wieviel er für sein ambitioniertes Ziel bezahlen und an Einfluß preisgeben mußte, wird wohl sein Geheimnis bleiben. Sollte der entscheidende Wurf gelingen, wird er sicher argumentieren, daß für das Gelingen kein Aufwand und Opfer zu groß gewesen sei. Entzaubert Klitschko auch diesen Kubaner wie schon dessen Landsmann Juan Carlos Gomez, muß sich Öner vermutlich Kübel voller Häme gefallen lassen, hat er doch im Umgang mit der Konkurrenz weder ein Blatt vor den Mund genommen noch Samthandschuhe angezogen.

Wie Öner nicht müde wird zu unterstreichen, habe das Management der Klitschkos alles versucht, um den Kampf gegen Solis zu verhindern, weil der Kubaner als denkbar gefährlichster Gegner eingeschätzt werde. Den im Januar geschlossenen Vertrag unter Dach und Fach zu bringen, sei ein hartes Stück Arbeit gewesen. Öner zufolge wollte ihn Klitschkos Management zunächst mit 500.000 Euro abspeisen. Er habe sich jedoch dagegen gesträubt und erreicht, daß man nun mit 1,8 Millionen im Geschäft sei. Im Gegenzug für die höhere Börse habe man einer Rückkampfklausel zustimmen müssen, der zufolge bei einem Sieg von Odlanier Solis eine Revanche gegen Vitali oder Wladimir Klitschko ermöglicht werden muß. In einem abschließenden Seitenhieb bewundert der Promoter Klitschko für den Mut, mit fast 40 Jahren gegen Solis zu boxen. Ob sich Öner mit solchen Aussagen am Ende selbst die Steilvorlage für ein Eigentor gegeben hat, wird sich am 19. März erweisen.

5. Februar 2011