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MELDUNG/461: Systematische Vorteilsnahme zugunsten Andre Wards (SB)



US-amerikanischer Turnierfavorit von Begünstigung beflügelt

Das von Promoter Kalle Sauerland konzipierte und in Zusammenarbeit mit dem US-Sender Showtime realisierte Super-Six-Turnier, in dessen Rahmen sich je drei namhafte Akteure des Supermittelgewichts aus Europa und den USA in mehreren Runden miteinander messen, gilt als Erfolgsmodell. Dessen ungeachtet hat es eine ganze Reihe mehr oder minder gravierender Probleme zu bewältigen, zu denen nicht zuletzt die Tendenz auf seiten mancher US-amerikanischen Teilnehmer und deren Umfeld zählt, sich unter eigennütziger Interpretation des vereinbarten Reglements gewisse Konkurrenzvorteile zu verschaffen. Da es sich dabei nicht um Ausnahmen, sondern eine Kette von Streitpunkten handelt, muß man wohl von einem systematischen Versuch der Vorteilsnahme sprechen.

Schon im Vorfeld des Kampfs zwischen Andre Ward und Mikkel Kessler im November 2009 war es zu einer Kontroverse um die Kampfrichter gekommen, da der Vertrag des Super-Six-Turniers deren Herkunft aus neutralen Ländern vorsieht. Dennoch setzten die Gastgeber den in Kalifornien ansässigen Jack Reiss als Ringrichter ein, der denn auch allzu großzügig die regelwidrigen Aktionen des Lokalmatadors übersah und Kessler damit benachteiligte. In der Oracle Arena von Oakland unterlag der Däne aus dem Sauerland-Boxstall durch eine technische Punktniederlage in der elften Runde, nachdem der Ringrichter aufgrund diverser Cutverletzungen des favorisierten WBA-Weltmeisters auf Abbruch befunden hatte. In der vierten Runde versetzte Ward seinem Gegner den ersten Kopfstoß, dem später weitere folgen sollten. Reiss ließ den Lokalmatador ungehindert gewähren, die fortgesetzt wühlte und klammerte, wodurch es wiederholt zu verletzungsträchtigen Situationen kam. Als Kessler in der achten Runde seine Gefährlichkeit andeutete und das Blatt zu wenden suchte, mußte er durch einen weiteren Kopfstoß eine blutende Rißwunde über dem linken Auge hinnehmen. Ein blutender Cut über dem rechten Auge, wiederum verursacht durch den Kopf seines Gegners, leitete in der zehnten Runde schließlich das Ende ein.

Promoter Wilfried Sauerland gratulierte Andre Ward zum verdienten Sieg und zeigte sich beeindruckt von der Schnelligkeit und Technik des Amerikaners. Ohne dessen Erfolg in Abrede stellen zu wollen, habe ihm allerdings der Referee von der ersten Minute an geholfen. Ward habe Kopf und Ellbogen eingesetzt, ohne auch nur ermahnt zu werden. Das sei denn doch zu weit gegangen.

Auch der zweite Auftritt Arthur Abrahams im Super-Six-Turnier stand unter dem schlechten Stern der Benachteiligung. Sein Kampf gegen Andre Dirrell sollte ursprünglich im Januar 2010 in Palm Springs stattfinden, wurde aber mangels einer geeigneten Halle zunächst auf Anfang März verlegt und dann auf den 27. März verschoben. Auch dieser Termin fiel ins Wasser, da der US-Amerikaner wegen einer Blessur absagte. Am Ende boxte man wundersamerweise in der Joe Louis Arena von Detroit, wo der 26jährige Dirrell als Lokalmatador in den Ring steigen konnte. Promoter Wilfried Sauerland erhob zudem Einspruch gegen den Ringrichter und zwei Punktrichter, die von Dirrells Promoter Garry Shaw ausgesucht worden waren und alle aus Michigan stammten.

Andre Ward durfte auch seinen zweiten Kampf im heimischen Oakland bestreiten, wo er seinem ins Turnier nachgerückten Landsmann Allan Green eine Lehrstunde erteilte. Dabei bediente er sich erneut einer unsauberen Kampfesweise und setzte die Ellbogen ein, was jedoch nicht moniert wurde. Als es dann im November 2010 zum Kampf zwischen Ward und Andre Dirrell kommen sollte, verließ letzterer wegen "neurologischer Probleme" das Turnier, wie Promoter Gary Shaw nebulös mitteilte. Die beiden Boxer hatten indessen bereits zu einem früheren Zeitpunkt erklärt, sie seien seit Jahren befreundet und würden deshalb nicht gegeneinander antreten.

Nun ist im Vorfeld des Halbfinalkampfs zwischen Andre Ward, der wiederum in Kalifornien antreten darf, und dem Berliner Arthur Abraham erneut eine Kontroverse um die Bestellung der Offiziellen entbrannt. Entgegen einer vorangegangen Abmachung hat die kalifornische Boxkommission einen Ringrichter und Punktrichter aus dem Bundesstaat nominiert. Das ist für Abrahams Promoter Wilfried Sauerland nicht hinnehmbar. Wie dieser gegenüber BoxingScene darlegte, hätten sich zuvor alle Beteiligten auf neutrale Offizielle geeinigt. Ein Punktrichter solle aus Kalifornien, einer aus Europa und einer weder aus Europa noch Kalifornien kommt. Auch sollte der Ringrichter weder aus Europa noch den USA stammen.

Nachdem Sauerland erklärte hatte, Abraham werde erst dann nach Kalifornien reisen, wenn man den zu Recht erhobenen Einwänden Rechnung trage, meldete sich Wards Promoter Dan Goossen zu Wort. Nach dessen Version hat die ursprüngliche Abmachung hinsichtlich der Offiziellen weiterhin Bestand. Die Behauptung, die Boxkommission bestehe auf einem kalifornischen Referee, sei "hundertprozentig falsch", so Goossen gegenüber Dan Rafael. Man habe sich darauf geeinigt, daß nur einer der vier Offiziellen aus Kalifornien kommt: "Ich weiß nicht, wieviel neutraler man sein kann." Goossen zufolge steht dem Kampf am 14. Mai in Carson nichts im Wege. Die Kommission sei seines Erachtens sehr entgegenkommend gewesen, um beide Parteien zufriedenzustellen. "Die Sache liegt außerhalb meiner Macht, es liegt nun an ihnen", stellte Goossen die Verhältnisse auf den Kopf und schob Sauerland die Verantwortung für das Problem zu.

Im Kontext der Vorgeschichte muß man von einem weiteren Versuch im US-amerikanischen Umfeld Andre Wards ausgehen, getroffene Vereinbarungen zu unterlaufen und den Gegner von vornherein zu übervorteilen. Nur dem vehementen Einspruch Promoter Sauerlands dürfte es zu verdanken sein, daß die gravierendsten Verstöße klammheimlich korrigiert werden, als seien sie nie beabsichtigt gewesen. Am unablässigen Heimvorteil Wards, der im Modus des Turniers so nie vorgesehen war, ändert das freilich nichts.

29. April 2011