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MELDUNG/592: Verkauft der Weltverband olympische Goldmedaillen? (SB)



BBC berichtet über angeblichen Korruptionsskandal

Vor dem Auftakt der Amateurboxweltmeisterschaften, die an diesem Wochenende in Baku eröffnet werden, ist von Hinweisen auf eine weitere spektakuläre Korruptionsaffäre des Weltverbands die Rede. Einem Bericht des britischen Fernsehsenders BBC zufolge soll die Internationale Amateur-Boxföderation AIBA von einem ungenannten Investor aus Aserbaidschan ein Darlehen in Höhe von neun Millionen US-Dollar (6,7 Millionen Euro) für die von der AIBA installierte World Series of Boxing (WSB) erhalten haben. Dem Geldgeber seien im Gegenzug zwei Goldmedaillen im olympischen Boxturnier 2012 in London zugesichert worden.

In einer Stellungnahme auf der BBC-Webseite weist die AIBA diese Vorwürfe entschieden zurück. Andeutungen, man habe im Gegenzug für diese Summe Goldmedaillen bei den Olympischen Spielen versprochen, seien absurd und absolut falsch. Wie AIBA-Präsident Wu Ching-Kuo unterstrich, werde die WSB auf transparente Art und Weise geleitet: "Es gibt in der AIBA eine Null-Toleranz-Politik in dieser Sache." Zugleich kündigte der Verbandspräsident eine Untersuchung zur Klärung der Vorwürfe an. [1]

Diese Untersuchung begrüßte das Internationale Olympische Komitee: "Wir als IOC nehmen alle Korruptionsvorwürfe sehr ernst und fordern die BBC auf, ihre Vorwürfe gegen die AIBA zu belegen", teilte IOC-Kommunikationsdirektor Mark Adams mit. Die BBC solle jeden vorliegenden Anhaltspunkt an die AIBA oder die Ethikkommission des IOC weiterleiten: "Wir begrüßen die Ankündigung der AIBA, sie werde eine umgehende Untersuchung einleiten, und erwarten das Ergebnis."

Die AIBA steht beileibe nicht zum ersten Mal unter Betrugsverdacht. So hatte man nach den Olympischen Spielen 2004 in Athen wegen angeblich manipulierter Kampfrichterurteile Konsequenzen bezogen. Das IOC behielt damals mehr als zwei Jahre lang eine Million Dollar für die AIBA zurück. Die Gelder wurden erst freigegeben, nachdem Anwar Chowdry aus Pakistan als Verbandspräsident abgetreten war. Der einflußreiche Funktionär hatte die AIBA fast 25 Jahre lang nahezu diktatorisch geführt und im Mittelpunkt zahlreicher dubioser Affären gestanden.

Mit dem Abgang Chowdrys endeten die Probleme jedoch nicht. Unmittelbar nach den Sommerspielen 2008 in Peking wurde der rumänische Funktionär Rudel Obreja wegen des "möglichen Versuchs der Manipulation" beim olympischen Boxturnier suspendiert. Nach Angaben des Verbands waren bereits Monate vor der Olympiade entsprechende Verdachtsmomente bekannt geworden, weshalb man Gegenmaßnahmen ergriffen habe. Zudem wurde auch das IOC eingeschaltet, das einen unabhängigen Beobachter bestellte. Am 22. August 2008 wurde Obreja schließlich suspendiert, der seinerseits Vorwürfe gegen Offizielle der AIBA erhob, wofür er eine Reihe umstrittener Kampfrichterentscheidungen zur Begründung anführte.

Tatsächlich war es bei den Wettkämpfen in Peking zu einer Häufung umstrittener Entscheidungen gekommen. Der rumänische Verbandschef Rudel Obreja, seit 2007 Vizepräsident der AIBA, hatte eine spontane Pressekonferenz einberufen, auf der er Manipulationsvorwürfe gegen Ho Kim, den Exekutivdirektor der AIBA und technischen Verantwortlichen des Olympiaturniers erhob. Bei diesem Treiben lasse ihn sein südkoreanischer Landsmann Wu Ching-Kuo, Weltpräsident der Amateurboxer, gewähren. Nachdem ihn Offizielle vergebens aufgefordert hatten, die Pressekonferenz sofort abzubrechen, tauchte plötzlich der von ihm beschuldigte Ho Kim auf. Ein Wort gab das andere, bis sich die beiden gegenseitig anbrüllten und Betrüger nannten.

Der technische Delegierte des Verbands, Terry Smith, betonte damals, daß es keine Absprachen gebe und er an ein faires Verfahren glaube. Allerdings mußte er einräumen, daß das Wertungssystem unter Beobachtung stehe: "Nichts ist bewiesen oder widerlegt." Indessen waren zahlreiche langjährige Experten der Auffassung, daß es in Peking erschreckend viele Fehlurteile gegeben habe, von denen insbesondere die Lokalmatadoren über Gebühr profitierten.

Zwangsläufig fühlte man sich an das berüchtigte Olympiaturnier 1988 in Seoul erinnert, bei dem es derart eklatante Fehlurteile vor allem zugunsten der Gastgeber gab, daß das Reglement hinterher überarbeitet werden mußte. Seit 1992 in Barcelona existiert im olympischen Amateurboxen die offene Wertung, bei der mindestens drei der fünf Punktrichter innerhalb einer Sekunde einen Knopf drücken müssen, damit ein Treffer in die Wertung eingeht. Doch wer gehofft hatte, daß bei diesem Verfahren nicht mehr betrogen werden könne, sah sich getäuscht. Um Manipulationen seitens der Punktrichter zu erschweren, kündigte die AIBA nach dem Turnier in Peking an, sie werde in London ein neues elektronisches Wertungssystem installieren. Bei diesem Verfahren wird die Punktevergabe aufgezeichnet, so daß sämtliche Wertungen den einzelnen Kampfrichtern jederzeit zuzuordnen sind.

Fußnote:

[1] http://www.welt.de/sport/article13621749/Box-Weltverband-soll-Olympia-Gold-verkauft-haben.html

24. September 2011