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MELDUNG/826: Mexikaner Josesito Lopez reißt Victor Ortiz aus allen Träumen (SB)




Saul Alvarez muß sich schon wieder einen neuen Gegner suchen

Saul Alvarez konnte nur noch den Kopf schütteln. Der erst 21 Jahre alte ungeschlagene Mexikaner hat bereits 40 Kämpfe im Weltergewicht gewonnen und einen unentschieden beendet, weshalb ihn viele Experten inzwischen hinter Manny Pacquiao und Floyd Mayweather als drittbesten Boxer aller Gewichtsklassen einstufen. Man sollte meinen, daß sich namhafte Kontrahenten darum reißen, sich mit ihm im Ring zu messen, um ihm den Rang abzulaufen und zugleich eine satte Börse einzustreichen. Doch obgleich seit geraumer Zeit feststeht, daß sein Promoter Golden Boy am 15. September in Las Vegas einen spektakulären Auftritt des Mexikaners plant, scheint ein Fluch auf seinen möglichen Gegnern zu lasten.

Der US-Amerikaner Paul Williams hatte bereits einen Kampfvertrag unterzeichnet, als er mit dem Motorrad schwer verunglückte und sich laut bislang bekannter Diagnose eine Querschnittslähmung zuzog. Nach diesem tragischen Zwischenfall bemühte sich Golden Boy um James Kirkland, der in Presseberichten schon zuvor als möglicher Herausforderer gehandelt worden war. Kirkland signalisierte zunächst großes Interesse, nahm dann aber von dem Vorhaben Abstand. Wie es hieß, laboriere er noch immer an den Nachwirkungen einer Schulteroperation und könne daher die Gelegenheit nicht wahrnehmen, gegen den WBC-Champion im Halbmittelgewicht anzutreten. Daraufhin nahm man den früheren Weltergewichtschampion Victor Ortiz ins Visier, der allerdings zur Vorbereitung noch ein Duell mit Josesito Lopez einschob, das gewissermaßen als Generalprobe für den Septemberkampf galt. Diese ist Ortiz jedoch so gründlich mißlungen, daß nun auch er kein Thema für Saul Alvarez mehr ist, der als aufmerksamer Beobachter vor Ort einen weiteren potentiellen Herausforderer abschreiben mußte.

Im Staples Center von Los Angeles erwies sich der aus dem Halbweltergewicht aufgestiegene Mexikaner Josesito Lopez als außerordentlich widerborstiger Gegner, der Ortiz alles abverlangte und ihn in der Pause zur zehnten Runde zur Aufgabe zwingen konnte. Lopez hatte gegen Ende der ersten Runde eine gute Szene, kassierte in der zweiten schwere Treffer und revanchierte sich kurz vor dem Pausengong mit gefährlichen Schlägen. So deutete sich frühzeitig ein verbissenes Gefecht mit beiderseitigen Chancen an, den Gegner entscheidend zu schwächen. Immer wieder kam es zum offenen Schlagabtausch, bei dem Ortiz das zuschwellende linke Auge des Kontrahenten aufs Korn nahm, der jedoch unverdrossen mitkämpfte. Im vierten Durchgang schien der körperlich überlegene Favorit die Oberhand zu gewinnen, doch traf er den Gegner in der nächsten Runde am Hinterkopf, worauf Lopez eine mehrminütige Auszeit nehmen mußte.

Auch in der Folge wogte das Kampfgeschehen hin und her, da Ortiz zwar immer stärkeren Druck entfaltete, Lopez jedoch mit gefährlichen Kontern antwortete. In der neunten Runde ließen es beide Boxer nach dem bis dahin hohen Tempo etwas ruhiger angehen, bis Ortiz, der zuletzt noch einmal die Offensive suchte, in einen linken Haken seines Gegners lief. Er klagte in der Pause über starke Schmerzen und gab den Kampf auf. Wie er im anschließenden Interview mit dem übertragenden Sender Showtime deprimiert berichtete, sei er bei geöffnetem Mund getroffen worden und habe sich den Kiefer gebrochen.

Im Hochgefühl des Sieges erklärte Josesito Lopez, er habe im Kampf seines Lebens die eigene Stärke unter Beweis gestellt. Er habe Ortiz Stück für Stück auseinandergenommen und mit jeder weiteren Runde an Zuversicht gewonnen. Selbst die härtesten Treffer hätten ihn nicht aus der Bahn geworfen, da er niemals aufgebe. Sollte man im Lager des Gegners auf einen Rückkampf bestehen, der als Klausel in den Vertrag aufgenommen worden sei, werde er sich Ortiz gerne ein zweites Mal stellen. Mit einer Bilanz von 30 Siegen und vier Niederlagen ist Lopez nach diesem spektakulären Erfolg in aller Munde und kann nun mit attraktiven Angeboten im Halbwelter- oder Weltergewicht rechnen.

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Humberto Soto läuft Lucas Matthysse ins offene Messer

Wäre das Duell zwischen Victor Ortiz und Josesito Lopez nicht derart dramatisch verlaufen, hätte die Auseinandersetzung zwischen Lucas Matthysse und Humberto Soto im Vorprogramm beste Aussichten gehabt, sich als Anwärter auf den "Kampf des Jahres" in Szene zu setzen. Gegen den in 68 Profikämpfen gestählten mexikanischen Routinier Humberto Soto empfahl sich der Argentinier Lucas Matthysse im Halbweltergewicht für einen Griff nach dem Gürtel des Weltmeisters in diesem Limit.

Der Auftakt gehörte dem 32jährigen Mexikaner, der dank seiner Wendigkeit ein schwer zu treffendes Ziel abgab und mit Kombinationen fleißig Punkte sammelte. Erst gegen Ende der zweiten Runde kam der drei Jahre jüngere Argentinier besser zur Geltung, was in der Folge um so mehr galt, als sich Soto unvorsichtigerweise auf den offenen Schlagabtausch einließ. Der Mexikaner war in seiner gesamten Karriere noch nie am Boden gewesen, was ihn offenbar in der Überzeugung bestärkte, daß ihn auch Matthysse nicht in die Knie zwingen könne.

Noch steckte Soto alle Treffer unbeeindruckt weg und kämpfte verbissen mit, doch begann der Argentinier ihn mit seinen gefürchteten Körpertreffern zu zermürben. In der fünften Runde erzielte Matthysse mit einem Haken zum Kopf erstmals erkennbar Wirkung, setzte augenblicklich nach und schickte den Gegner schwer getroffen auf die Bretter. Soto kam zwar noch einmal mühsam auf die Beine, war aber nicht mehr in der Lage, sich zu verteidigen, und wurde vom Ringrichter zu seinem eigenen Schutz in der Pause aus dem Kampf genommen.

Wie Lucas Matthysse, der seine Bilanz auf 31 Siege und zwei Niederlagen verbesserte, im Gespräch mit Showtime berichtete, sei er anfänglich noch etwas nervös gewesen, habe dann aber das Tempo angezogen und die Entscheidung herbeigeführt. Neben seinen Kämpfen gegen Devon Alexander und Zab Judah sei dies sein bester Auftritt gewesen, den er wie angestrebt vorzeitig beendet habe. Nach dieser überzeugenden Leistung hat der Argentinier gute Aussichten, das WBC beim Wort zu nehmen und den versprochenen Ausscheidungskampf zu bekommen, dessen Sieger gegen den amtierenden Weltmeister antreten darf.

25. Juni 2012