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MELDUNG/899: WBC verhängt Sanktionen gegen Julio Cesar Chavez (SB)




Geldstrafe und Entzugsauflage nach positivem Dopingtest

Offenbar wurde der Umgang mit dem anstehenden Problem auf persönlicher Ebene vorgebahnt: WBC-Präsident Jose Sulaiman scheint in seiner Eigenschaft als Patenonkel von Julio Cesar Chavez ein ernstes Wort mit dem mexikanischen Mittelgewichtler gespochen zu haben. Dieser hatte kürzlich nicht nur den Titel dieses Verbands an den Argentinier Sergio Martinez verloren, sondern war auch bei der obligatorischen Dopingprobe positiv auf Marihuana getestet worden. Promoter Bob Arum hatte seinem Boxer mit der Erklärung, dieser habe das Marihuana konsumiert, weil er im Trainingslager unter Schlafstörungen litt, den Rücken gestärkt und sich bei dieser Gelegenheit demonstrativ für eine Legalisierung von Marihuana stark gemacht. Allerdings war es bereits der zweite positive Dopingtest in der Karriere des Mexikaners, nachdem im November 2009 bei ihm Spuren eines Abführmittels nachgewiesen worden waren, das er zur Gewichtsreduktion verwendet hatte. Darüber hinaus kursierten Mutmaßungen, Chavez habe sich bei zwei weiteren Kämpfen unter Vorwänden der Dopingkontrolle entzogen.

Da das Antidopingregime in den letzten Jahren auch im professionellen Boxsport Einzug gehalten hat, schwenken die Verbände und Kommissionen zunehmend auf einen harten Kurs um, der über kurz oder lang auf das Zwangskorsett des olympischen Standards hinauslaufen wird. Dezidierte Kritik an den Zielsetzungen und Verfahren dieser umfassenden Verfügung über den Sportler bis tief hinein in dessen Lebensführung und Körperlichkeit bleibt Mangelware. Hingegen blüht die opportunistische Kultur wechselseitiger Bezichtigung, die nach Strafmaßnahmen schreit, wo dies dem eigenen Vorteil dienlich scheint.

Nun hat das World Boxing Council den ehemaligen Weltmeister Julio Cesar Chavez jun. zu einer Geldstrafe von 10.000 US-Dollar verurteilt und dem 26jährigen darüber hinaus zur Auflage gemacht, einen Aufenthalt in einer Entzugsklinik zu absolvieren. Gemessen an den Sperren, die man sogenannten Dopingsündern in anderen Sportarten auferlegt, kann man in diesem Fall von milden Sanktionen sprechen. Dagegen ist nichts einzuwenden, zumal man Präsident Sulaiman einen Lösungsansatz attestieren kann, der Scharfmachern vorerst den Wind aus den Segeln nimmt. Ob man ihm deshalb Vetternwirtschaft vorwirft, muß sich zeigen, doch hat er sich jedenfalls in dieser Konfliktlage an die Spitze gesetzt und von dort aus den Zug zumindest vorübergehend gebremst. Bricht man die sogenannte Affäre auf die Frage herunter, welchen Vorteil sich Chavez durch den Konsum von Marihuana verschafft haben soll, bedarf es keiner Expertise, um eine Benachteiligung seines Gegners zu verneinen.

WBC-Präsident Sulaiman sah sich bemüßigt, die Entscheidung des Verbands ausführlich zu erläutern. Seinen Angaben zufolge hat er sich mit dem Aufsichtsrat zusammengesetzt. Man habe eine Geldstrafe von 10.000 Dollar festgelegt, die an eine Organisation für krebskranke Kinder gespendet werden soll. Zudem verlange man einen Entzug, über den man eine Bestätigung erhalten wolle. Für die Dauer des Entzugs bleibe Chavez gesperrt, doch halte man nichts von einer Sperre auf unbestimmte Zeit, da ihm das nicht weiterhelfen würde. Sobald er bereit sei, seine erfolgreiche Karriere fortzusetzen, werde der Verband seine Türen wieder für ihn öffnen. Wenngleich man aus dieser Entscheidung durchaus die Handschrift des Patenonkels herauslesen kann, ist diesem doch schwerlich abzusprechen, eine vernünftige Lösung angestrebt zu haben.

Die schriftliche Stellungnahme von Julio Cesar Chavez läßt darauf schließen, daß auch er die angemahnten Schritte für zweckmäßig und gangbar hält. Wie der Boxer schreibt, halte er jede Erklärung oder Rechtfertigung der vergangenen Ereignisse für sinnlos. Er übernehme die volle Verantwortung für seine Taten und akzeptiere die Konsequenzen. Zugleich entschuldige er sich bei allen Menschen, die Anstoß an seinen Taten genommen haben. Er werde die Folgen auf sich nehmen und sein Bestes geben, um sich zu ändern. Die notwendigen Auflagen fasse er als Hilfe auf, die dazu beitragen werde, daß er gestärkt in den Ring zurückkehren könne. Er werde eine neue Phase seiner Karriere einläuten und sich Ziele setzen, wovon eines mit Sicherheit eine Revanche gegen den Argentinier Sergio Martinez sei. Zwar gibt sich Chavez augenscheinlich betont reumütig und einsichtig, um die Wogen zu glätten und die goldene Brücke, die ihm sein Patenonkel gebaut hat, unbeschadet zu überqueren. Hierbei von Protektion zu sprechen, ist nicht abwegig, doch findet man im professionellen Boxsport so viele wirklich gravierende Widerspruchslagen, daß man allen Anlaß hat, die Waffen ernstzunehnender Kritikfähigkeit besser an diesen zu schärfen.

26. September 2012