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MELDUNG/1053: Schweigen ist auch im Boxsport kein Gold (SB)




Mit Fäusten und Mundwerk betreibt David Haye sein Geschäft

Daß sportliche Qualitäten für sich genommen nicht ausreichen, um als Boxer international Furore zu machen und lukrative Börsen zu generieren, hat David Haye wie kaum ein anderer seiner Zunft begriffen und in die Praxis umgesetzt. Der Brite ist gewiß kein Muhammad Ali, da ihm, wie wohl den allermeisten Boxern seiner Generation, jeder Sinn für emanzipatorische Positionen und Taten abzugehen scheint. Er strebt nach Rampenlicht, Medienpräsenz und viel Geld, wofür der "Haymaker" nicht nur gewaltig die Fäuste schwingt, sondern auch sein Mundwerk auf Hochtouren bringt. Haye verkörpert den Part des prolligen Provokateurs, der seine Konkurrenten verhöhnt, beleidigt und ihnen Prügel androht. Dies erlaubt es den aufs Korn genommenen Rivalen, mit viel bescheideneren laiendarstellerischen Mitteln auszukommen und dennoch den Widerpart empörter Rechtschaffenheit und mit Füßen getretener Fairneß zu inszenieren. So werden Fehden in die Welt gesetzt, die dem Publikum wie in einer Seifenoper bitterböse Feindschaften vorgaukeln, die einer Abrechnung harren.

David Haye ist es auf diese Weise gelungen, nach mehrjährigen verbalen Feuergefechten mit den Klitschkos und zwei kurzfristig abgesagten Auftritten einen Kampf gegen Wladimir Klitschko herbeizureden, der ihn zwar nicht zum Weltmeister, jedoch zum reichen Mann gemacht hat. Dabei scheint den Briten sein Geschwätz von gestern wenig zu kümmern, hat er doch etliche angeblich felsenfeste Entscheidungen über den Haufen geworfen. Nachdem er den Zeitpunkt seines definitiven Abschieds vom Boxsport jahrelang terminiert hatte, schwenkte er nach der Niederlage gegen den jüngeren Klitschko auf die Erklärung um, er befinde sich zwar im Ruhestand, würde aber für einen Kampf gegen Vitali oder Wladimir eine Ausnahme machen.

Dann setzte er mit seinem Landsmann Dereck Chisora nach dessen Kampf gegen Vitali Klitschko jene spektakulären Handgreiflichkeiten in Szene, die einen enormen Wellenschlag in der Branche hervorriefen. So wurde ein allenfalls durchschnittliches Duell auf dem Wege der Skandalisierung zu einer Revanche im Boxring aufgebauscht, die im Juli 2012 in London die Kassen füllte und Haye einen weiteren außergewöhnlichen Zahltag bescherte. Nach diesem sportlichen und finanziellen Erfolg brachte er sich erneut für einen Kampf gegen den älteren Klitschko ins Gespräch, worauf er wenig später hinzufügte, daß er auch unabhängig davon binnen Jahresfrist der weltweit führende Schwergewichtsboxer werden wolle, seine Karriere also auf jeden Fall fortzusetzen gedenke. Das wahre Leben spiele sich für ihn eben doch im Ring ab, faßte der Brite eine Konsequenz in Worte, die schon zahllosen Zunftgenossen vor ihm den sportlichen Ruhestand verleidet hatte.

Inzwischen plant David Haye, seinen nächsten Auftritt am 6. Juli zu geben. Da ein Kampf gegen Vitali Klitschko unterdessen so gut wie ausgeschlossen erscheint, trägt sich der 32jährige Brite mit dem Gedanken, zum Pflichtherausforderer bei einem der vier Weltverbände aufzusteigen. Nachdem er seinen letzten Kampf gegen Dereck Chisora unter luxemburgischer Lizenz bestritten hatte, beantragt Haye nun wieder eine einheimische Genehmigung. Die Britische Boxkommission ist offenbar bereit, diesem Wunsch stattzugeben, denn wie ihr Sprecher mitgeteilt hat, habe Haye die maßgeblichen Richtlinien akzeptiert und verstanden, daß in der Vergangenheit gewisse Dinge geschehen sind, die schlecht für ihn selbst und den Boxsport insgesamt waren. [1]

Da der Londoner in den Ranglisten aller vier großen Weltverbände unter den fünf führenden Schwergewichtlern notiert ist, könnte er im günstigsten Fall mit einem einzigen weiteren Sieg zum Pflichtherausforderer der Klitschkos avancieren. Nun kommt es darauf an, einen namhaften Gegner zu finden, dessen Niederlage zum Trittbrett des Briten für den Aufstieg an die Spitze mindestens einer Rangliste würde.

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Dereck Chisora trifft auf Ondrej Pala

Auch Dereck Chisora bestreitet in wenigen Wochen seinen nächsten Kampf. Der 29jährige Brite hat vor kurzem seine britische Lizenz zurückbekommen und will sich am 20. April in London mit Ondrej Pala messen. Hauptkampf des Abends ist die Titelverteidigung des WBO-Weltmeisters im Halbschwergewicht, Nathan Cleverly, gegen Robin Krasniqi, der beim Magdeburger Promoter SES unter Vertrag steht.

Mit einer Bilanz von 32 Siegen und drei Niederlagen wirkt der ehemalige WBO-Europameister aus Tschechien auf den ersten Blick wie der Favorit, zumal sich Chisora gegen David Haye vorzeitig geschlagen geben mußte und vier seiner letzten fünf Kämpfe verloren hat. Indessen hat der Brite, der bislang nur 15 Kämpfe für sich entscheiden konnte, gegen namhafte Gegner wie Vitali Klitschko, Robert Helenius und Tyson Fury geboxt, von denen Pala nur träumen kann. Der 28 Jahre alte Tscheche hat seinen Gürtel im März 2012 an Konstantin Airich verloren und seither lediglich zwei Aufbaukämpfe gegen weithin unbekannte Kontrahenten absolviert. [2]

Fußnoten:

[1] http://www.boxen.de/news/david-haye-naechster-kampf-am-6-juli-25401

[2] http://www.boxen.de/news/chisora-am-20-april-gegen-pala-25419

22. März 2013