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MELDUNG/1069: Britischer Mittelgewichtler Michael Norgrove gestorben (SB)




Neun Tage nach einem Kampf schweren Hirnverletzungen erlegen

Der 31 Jahre alte britische Mittelgewichtler Michael Norgrove ist neun Tage nach einem Kampf gegen Tom Bowen seinen schweren inneren Verletzungen erlegen. Norgrove hatte seinen Gegner bereits in der ersten Runde am Boden und schien auf dem Weg zu einem ungefährdeten Punktsieg zu sein, als er zu Beginn der fünften Runde des auf sechs Runden angesetzten Kampfs ohne erkennbaren Anlaß desorientiert wirkte. Wie es zu der letztlich tödlichen Verletzung kam, ist bislang ungeklärt, da der Boxer Beobachtern zufolge keine schweren Treffer abbekommen hatte. Ringrichter Jeff Hinds beendete daraufhin sofort den Kampf, doch brach Norgrove kurz darauf zusammen und wurde umgehend in ein Krankenhaus gebracht, wo man ein Blutgerinnsel im Gehirn diagnostizierte. Die Verletzung erwies sich als so schwerwiegend, daß der aus Sambia stammende Norgrove nicht mehr gerettet werden konnte.

Michael Norgrove, der in Woodford Green im Osten Londons gelebt hatte, war zunächst im Amateurbereich aktiv und nahm später an sogenannten White-collar-Kämpfen teil. Als Profi trainierte er im Repton Boxing Club und hatte fünf Kämpfe gewonnen. Seine früheren Teamkollegen beschrieben ihn als Boxer, dessen lebhafte Auftritte beim Publikum gut ankamen. Der verhängnisvolle Kampf gegen Bowen, zu dem Norgrove nach einer zweijährigen Pause in den Ring zurückkehrte, war als einer der Höhepunkte einer Veranstaltung konzipiert, bei der erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg wieder am historischen Veranstaltungsort "The Ring" in Blackfriars im Süden Londons Profikämpfe ausgetragen wurden.

Er sei sehr stolz, mit Michael zusammengearbeitet zu haben, sagte sein ehemaliger Promoter Steve Goodwin. "Er war immer nett, ein herzenswarmer Mensch und ein sehr talentierter Boxer. Das ist ein schwerer Verlust für jeden, der ihn gekannt hat. Mein Beileid geht an seine Familie." Eine enge Freundin und Teamkollegin im Boxklub, Monica Harris, berichtete, wie glücklich er unmittelbar vor dem Kampf ausgesehen habe. Sie werde diesen Anblick zeitlebens nicht vergessen und trage sich mit dem Gedanken, ihren Abschied vom Boxsport zu nehmen. [1]

Norgrove ist der erste britische Boxer seit James Murray im Jahr 1995, der nach einem Kampf gestorben ist. Der schottische Bantamgewichtler war damals in Glasgow nach einem Niederschlag seinen Hirnverletzungen erlegen. Dasselbe Schicksal hatten zuvor Bradley Stone aus London (1994), der Weltergewichtler Steve Watt (1986) sowie der Waliser Johnny Owen (1980) erlitten, der nach einer Niederlage gegen Lupe Pintor in Los Angeles das Bewußtsein verlor und sechs Wochen später starb.

Die jüngste Tragödie führte zwangsläufig dazu, daß die jahrzehntelange Kontroverse um die Gefahren des Boxsports und dessen mögliches Verbot wieder aufbrach. Der Verband "Headway", der sich Hirnverletzungen widmet, sprach von einem weiteren Beispiel der "brutalen und gefährlichen Natur dieses Sports" und wiederholte die Forderung nach einem uneingeschränkten Verbot. Wann immer ein Boxer in den Ring steige, gehe er ein signifikantes Risiko ein, sein Leben zu verlieren oder eine schwere Hirnverletzung mit lebenslangen Folgen davonzutragen. Wenngleich alle Kontaktsportarten mehr oder minder gefährlich seien, trügen doch andere Disziplinen durch ihr Regelwerk zumindest Vorsorge, Schläge gegen den Kopf nach Möglichkeit auszuschließen. Beim Boxen hingegen verfolge man das Ziel, den Gegner so lange am Kopf zu treffen, bis er schließlich bewußtlos zu Boden stürze. Solange dieser Sport nicht mit einem Verbot belegt werde, fielen ihm weitere junge Leben zum Opfer.

Der britische Ärzteverband hatte erst kürzlich die Entscheidung von UK Sport scharf kritisiert, die staatlichen Mittel zur Förderung des Boxsports aufzustocken. Dieser erfuhr starken Zulauf, nachdem die britische Olympiamannschaft bei den Spielen in London im Sommer letzten Jahres fünf Medaillen beim Boxturnier gewonnen hatte.

Robert Smith, der Generalsekretär des British Boxing Board of Control verteidigte hingegen die geltenden Sicherheitsmaßnahmen vor der fraglichen Veranstaltung. Wie er unterstrich, gehöre die britische Boxkommission zu den Gremien mit dem weltweit strengsten Reglement. Eine akute Verletzung wie die Michael Norgroves könne auch bei anderen Sportarten jederzeit eintreten. Norgrove habe sämtliche medizinischen Untersuchungen einschließlich regelmäßiger Gehirnscans absolviert. Hätten von ärztlicher Seite auch nur die geringsten Bedenken bestanden, wäre keine Freigabe für diesen Auftritt im Ring erfolgt. Der Boxer sei ein junger Mann in guter körperlicher Verfassung gewesen, doch könne kein Arzt der Welt eine solche akute Verletzung mit Sicherheit ausschließen. [2]

Fußnoten:

[1] http://www.independent.co.uk/sport/general/others/michael-norgrove-another-death-from-boxing-puts-the-sport-back-in-the-dock-8563578.html

[2] http://www.guardian.co.uk/sport/2013/apr/07/michael-norgrove-death-bbbc-robert-smith

9. April 2013