Schattenblick →INFOPOOL →SPORT → BOXEN

MELDUNG/1247: US-Schwergewicht in der Dauerkrise (SB)




Bryant Jennings wechselt den Promoter

Da die sprichwörtliche Krise der US-amerikanischen Schwergewichtsszene den Charakter eines Dauerzustands angenommen hat, klammert man sich an jeden Strohhalm langersehnter Abhilfe. So wird die Bezeichnung "Hoffnungsträger" inflationär vergeben, sobald ein Boxer mit einer Siegesserie aufwarten kann. Das wiederum führt offenbar dazu, daß eine von Niederlagen unbefleckte Bilanz absolute Priorität genießt und man gefährliche Gegner systematisch meidet. Auf diese Weise werden Karrieren von beschränkter Aussagekraft produziert, was natürlich wenig geeignet ist, das abgewanderte Sportpublikum zurückzugewinnen.

Auch der in 17 Profikämpfen ungeschlagene Bryant Jennings gehört zu den sogenannten Hoffnungen des Schwergewichts in den USA. Obgleich der 29jährige in diesem Jahr erst einmal im Ring gestanden hat, wird er in drei von vier Weltverbänden in den Top 15 geführt. Er geht nach wie vor seinem Zivilberuf als Techniker für die US-Notenbank nach, will aber seiner stagnierenden Boxerlaufbahn mit einem Wechsel von Main Events zu Gary Shaw neuen Schub verleihen. Seine Auftritte waren bislang bei NBC zu sehen, doch unter seinem neuen Promoter hofft er, bei den großen Sendern HBO oder Showtime ein breiteres Publikum zu erreichen.

Jennings zieht in Zweifel, daß sich inzwischen wieder mehr Sportinteressierte für Schwergewichtskämpfe erwärmen können. Zwar gebe es einige junge Talente, doch von ihm selbst abgesehen seien sie weithin unbekannt. Was aber die wenigen geläufigen Namen betreffe, halte er sie für Luftblasen, die darauf warten, zum Platzen gebracht zu werden. Viele von ihnen hätten Angst vor den Klitschkos und ließen keinerlei Anzeichen unbedingter Entschlossenheit erkennen, es zum wahren Champion zu bringen. Eine Ausnahme sei Tyson Fury, der das Zeug dazu habe, sich durchzusetzen. Der Brite rede zwar eine Menge, lasse seinen Worten aber auch Taten folgen und habe den Mut, verrückte Sachen im Ring zu machen.

Seinen prominenten Landsmann Deontay Wilder, der in 30 Kämpfen ungeschlagen ist, hält Jennings hingegen für überbewertet. Wilder habe jedenfalls noch nicht in Kämpfen mit anspruchsvollen Gegnern den Beweis seiner Qualitäten angetreten und kein einziges Mal länger als vier Runden geboxt. Um zu behaupten, er werde das Schwergewicht für lange Zeit beherrschen, müsse man schon sehr verzweifelt sein. Die Situation sei in der Tat ziemlich trostlos, so Bryant Jennings.

Was seine eigene Karriere betrifft, habe er dem Sport noch nicht einmal fünf Jahre gewidmet und liege daher vor seinem Soll. Er sei gelassen und halte sich in Form, was ihm nicht schwerfalle, da er ein solides Leben führe. Er trinke nicht, rauche nicht und mache kein verrücktes Zeug. Aufgrund seiner Inaktivität seien viele namenlose Konkurrenten in den Ranglisten aufgetaucht, denen er die Plazierungen abjagen könne. Dabei schließe er niemanden aus und trete gegen jeden aus den Top 10 oder Top 15 an.[1]

Wer wie Bryant Jennings nicht mit kritischen Anmerkungen zu seinen Konkurrenten spart, muß sich zwangsläufig die Frage gefallen lassen, wie es um seine eigene Gegnerwahl bestellt ist. Prominentester Name in der Liste seiner Siege dürfte der frühere WBO-Weltmeister Sergej Liachowitsch sein, dessen beste Tage freilich weit zurückliegen. Zeitweise hielt Jennings den USBA-Titel, eine Durchgangsstation auf dem Weg zu wichtigeren Gürteln und besseren Positionen in den Ranglisten. Bei seinem letzten Auftritt traf er Mitte Juni im Rahmen der NBC Fight Night in Bethlehem (Connecticut) auf den zähen Russen Andrej Fedosow, den er nach einem überzeugenden Auftritt in sechs Runden besiegte. Dank dieses Erfolgs empfahl er sich als Nummer drei der IBF-Rangliste für bedeutendere Aufgaben.

Anfang August meldete sich sein Promoter Russel Peltz mit der Nachricht zu Wort, man verhandle mit dem Polen Tomasz Adamek über einen möglichen Kampf, der beim Sender HBO auf Interesse stoßen könnte. Einige Zeit später erfuhr man, daß die Gespräche an miteinander unvereinbaren finanziellen Vorstellungen gescheitert seien. Damit blieb offen, ob es sich womöglich eher um einen Versuchsballon gehandelt hatte. Dem Vernehmen nach hat es neben Tomasz Adamek und Tyson Fury auch Bryant Jennings abgelehnt, gegen Kubrat Pulew anzutreten. Der Bulgare aus dem Sauerland-Team führt die Rangliste der IBF an und hat sich in einem Ausscheidungskampf gegen Tony Thompson durchgesetzt. Augenscheinlich war die Aussicht, zum Pflichtherausforderer des Ukrainers aufzusteigen, auch für Jennings nicht so reizvoll, daß er das Risiko eingegangen wäre, sich mit Pulew zu messen.


Fußnote:

[1] http://www.boxen.de/news/wechsel-zu-gary-shaw-jennings-will-die-grossen-fights-29814

3. November 2013