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MELDUNG/1302: Aufgeblasene Perspektiven suggerieren grenzenloses Wachstum (SB)




Konzentration der Erlöse in Händen weniger Großverdiener

Ein Kampf zwischen WBC-Weltmeister Adonis Stevenson und WBO-Champion Sergej Kovalew zur Vereinigung der beiden Titel im Halbschwergewicht dürfte zu den attraktivsten Duellen gehören, die in diesem Jahr über die Bühne gehen könnten. Was ihre Bilanz betrifft, liegen die potentiellen Kontrahenten nahezu gleichauf. Während der Kanadier 23 Kämpfe gewonnen und einen verloren hat, stehen für den Russen 23 Siege und ein Unentschieden zu Buche. Auch was die Schlagwirkung betrifft, braucht sich keiner vor dem anderen zu verstecken, hat doch Stevenson 20 Gegner vorzeitig besiegt, während Kovalew 21 K.o.-Siege vorweisen kann.

Der Russe fordert diesen Kampf schon seit längerem ein, Stevenson hingegen gab sich diesbezüglich bislang eher zurückhaltend. Den Vorwurf, er gehe dem gefährlichen Rivalen aus dem Weg, weist der Kanadier jedoch entschieden zurück. Er sei die Nummer eins im Halbschwergewicht und habe vor niemandem Angst. Schließlich habe er gegen Chad Dawson gekämpft und gewonnen, der zu den herausragenden Protagonisten dieser Gewichtsregion gehöre. Unmittelbar danach habe er den frisch gewonnenen Titel gegen seinen Landsmann Tavoris Cloud verteidigt, der unaufhörlich nach vorn marschiere. Zu behaupten, er fürchte sich vor Sergej Kovalew, sei ein Witz und mache überhaupt keinen Sinn.

Was jedoch die Reihenfolge betrifft, will sich der Kanadier vor einem möglichen Kampf gegen Kovalew zunächst mit seinen Wunschgegnern Bernard Hopkins und Carl Froch messen. Gegen Hopkins würde er gerne kämpfen, da dieser eine Legende des Boxsports sei. Froch habe vor allem in England einen großen Namen und wäre ebenfalls ein sehr attraktiver Gegner. Als er selbst noch im Supermittelgewicht geboxt und dort die Rangliste angeführt habe, wäre es fast zu einem Kampf gegen den Briten gekommen. Jetzt sei er Champion im Halbschwergewicht und könnte Carl Froch und Bernard Hopkins auf gleicher Augenhöhe begegnen.

Er habe vor, in diesem Jahr drei Kämpfe auszutragen, und in einem von diesen werde er gegen Kovalew antreten. Er wolle seine Fans wissen lassen, daß dieser Kampf auf jeden Fall kommen wird. Sein Promoter setze sich gerade mit Main Events ins Benehmen, um die beiderseitigen Vorstellungen abzugleichen. Kovalew habe die Nummer seines Promoters und brauche nur anzurufen, das sei überhaupt kein Problem, so Adonis Stevenson. [1]

Unterdessen schmiedet natürlich auch Sergej Kovalew Zukunftspläne, in denen mindestens ein prominenter Name auftaucht. Der Russe kann sich vorstellen, in absehbarer Zeit mit dem US-Amerikaner Andre Ward in den Ring zu steigen, der in 27 Kämpfen ungeschlagen und WBA-Weltmeister im Supermittelgewicht ist. Kovalew will jedoch nicht denselben Fehler wie Chad Dawson machen, der als amtierender Champion im Halbschwergewicht zu Ward ins Supermittelgewicht hinunterging und dort ziemlich geschwächt wirkte, als er sich dem Kalifornier geschlagen geben mußte. Vorerst sei dieser Kampf noch kein Thema, doch falls Ward ihn wünsche, müsse er im Halbschwergewicht stattfinden.

Da Kovalew und Ward beide auf HBO boxen, sollte dieser Kampf eigentlich möglich sein. Es ist jedoch zu vermuten, daß Ward zunächst gegen den Kasachen Gennadi Golowkin antritt, der WBA-Weltmeister im Mittelgewicht ist. Danach könnte sich der Kalifornier Sergej Kovalew zuwenden, wobei solche Pläne natürlich nur dann relevant bleiben, wenn keiner von beiden unterdessen eine Niederlage bezogen hat. [2]

Es ist bekanntlich kein Novum, daß Weltmeister verkünden, sie wollten fortan nur noch gegen die namhaftesten Kontrahenten antreten und keine Zeit mehr mit schwächeren Herausforderern verschwenden. Es zeichnet sich jedoch seit geraumer Zeit die Tendenz ab, solche Perspektiven nicht nur im Munde zu führen und eher in Ausnahmefällen einzulösen, als sie vielmehr in immer dichterer Taktfolge zur Regel zu machen. In der Spitze wird heute quer über die Gewichtsklassen und häufig in eigens vereinbarten Limits gekämpft, wodurch zwar enorme Umsätze generiert werden, sich die Erlöse jedoch in wenigen Händen konzentrieren.

Floyd Mayweather jun., der mit nur zwei Auftritten im Jahr zum weltweit bestverdienenden Sportler aufgestiegen ist, macht beispielhaft deutlich, daß sich der Boxboom der letzten Jahre einem rasanten Konzentrationsprozeß verdankt, der nur noch mit immer neuen Rekordquoten im Bezahlfernsehen fortgesetzt werden kann. Mayweathers hochdotierter Fernsehvertrag läßt sich nur dann refinanzieren, wenn der US-Star gegen die namhaftesten Gegner antritt. Wenngleich daher die Offensive des professionellen Wrestlings und der Mixed Martial Arts, die dem Boxen zeitweise das Wasser dramatisch abgegraben hatten, vorerst abgeschlagen zu sein scheint, hat man es dabei doch längst nicht mehr mit einem Wachstum auf breiter Basis und halbwegs gesicherten Einkünften für die Mehrzahl der professionellen Boxer zu tun.

Durchaus vergleichbar mit dem krisenhaften Verlauf der Ökonomie im allgemeinen, flüchtet sich auch die Verwertung im professionellen Boxsport in aufgeblasene Perspektiven für eine kleine Minderheit von Großverdienern, die unbegrenztes Wachstum für alle suggeriert, den darin zum Ausdruck kommenden Zwang expansiver Entuferung zu Lasten der Mehrheit jedoch ausblendet.


Fußnoten:

[1] http://www.boxen.de/news/wbc-champion-stevenson-ich-werde-in-diesem-jahr-gegen-kovalev-kaempfen-30964

[2] http://www.boxen.de/news/duell-gegen-ward-fuer-kovalev-nur-im-halbschwergewicht-denkbar-30934

11. Januar 2014