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MELDUNG/1445: Ein Gigant auf tönernen Füßen (SB)




De la Hoyas Versöhnungskurs kollidiert mit Monopolbildung

Der in 29 Kämpfen ungeschlagene Superchampion der WBA und Weltmeister der IBO im Mittelgewicht, Gennadi Golowkin, verteidigt seinen Titel am 26. Juli im New Yorker Madison Square Garden gegen den Australier Daniel Geale. Sein Management plant über den Tag hinaus und wägt bereits die Optionen für den nachfolgenden Auftritt ab, der im Herbst über die Bühne gehen könnte. Wunschgegner aus Perspektive von Golowkins Trainer Abel Sanchez wäre Peter Quillin, der 31 Kämpfe gewonnen hat und Champion der WBO ist.

Nach einer Umstrukturierung sind die Golden Boy Promotions nun angeblich bereit, die scharfe Trennung der Szene in zwei verfeindete Lager zu überwinden und wieder Kämpfe unter beiderseitiger Beteiligung möglich zu machen. Trotz dieser neuen Perspektive rechnet Sanchez damit, daß Quillins Manager Al Haymon den Kampf gegen Golowkin nach wie vor verhindern will. Er hoffe trotz allem, daß dieses Duell stattfindet, da seines Erachtens die Besten gegeneinander kämpfen müßten. So lange Quillin und seine Leute auf Haymons Seite stehen, sehe er allerdings schwarz. Sollte er sich aber irren, wäre das großartig für den Boxsport, so Sanchez. [1]

Im April hatte sich Quillin in Washington D.C. gegen Lukas Konecny durchgesetzt, wobei man geteilter Meinung sein konnte, ob es sich um einen letztendlich souveränen Sieg des Titelverteidigers oder eher um ein Armutszeugnis gehandelt hatte. Der hoch favorisierte Titelverteidiger absolvierte den Kampf zwar teilweise wie eine Sparringsübung, wurde jedoch von der neunten Runde an angesichts seiner allzu sehr auf Sicherheit bedachten Kampfesweise in der Endphase mit lautstarken Unmutsäußerungen des enttäuschten Publikums bedacht.

Sein tschechischer Gegner aus dem Magdeburger SES-Boxstall war körperlich klar unterlegen, marschierte aber unermüdlich voran und stellte den Weltmeister häufig an den Seilen. Wenn er Quillin aus der Nahdistanz attackierte, verdankte es der Amerikaner nur der geringen Schlagwirkung seines Gegners, daß er keinen Schaden nahm. Der Champion verfiel immer wieder in seine schlechten Angewohnheiten, sich wenig zu bewegen, den Kopf steif zu halten und sich in die Seile zu lehnen. Im Kampf mit Konecny hatte das keine schwerwiegenden Folgen, erboste aber zwangsläufig die Zuschauer, die sich wesentlich mehr erhofft hatten.

Peter Quillin wird voraussichtlich Ende des Jahres in den Ring zurückkehren, so daß zeitliche Gründe einem Kampf gegen Golowkin nicht im Wege stünden. Entscheidendes Hindernis war bislang der erbitterte Streit der Promoter und Sender, da der Kasache bei HBO, der US-Amerikaner jedoch bei Showtime auftritt. Nachdem der frühere Geschäftsführer Richard Schaefer das Unternehmen Golden Boy im Streit mit dessen Präsidenten Oscar de la Hoya verlassen hat, dürften die Chancen etwas gewachsen sein, die Gräben zuzuschütten. Schaefer hatte jede Zusammenarbeit mit dem Konkurrenten Bob Arum entschieden abgelehnt, während De la Hoya in jüngerer Zeit Bereitschaft signalisierte, das Kriegsbeil zu begraben.

Was wie eine erbitterte persönliche Feindschaft anmutet, die sie in Teilen sicher auch ist, verschleiert die zugrundeliegenden Konzentrationsprozesse im US-amerikanischen Boxgeschäft. Seit der frühere Golden-Boy-Anwalt Stephen Espinoza zu Showtime gewechselt ist und dort mit aller Kraft an einer Monopolstellung arbeitet, hat der Sender Schritt für Schritt den lange Jahre führenden Konkurrenten HBO überholt. War das Verhältnis zwischen Bob Arum und Oscar de la Hoya schon in der Vergangenheit nicht das beste, so spitzte sich die Feindschaft zwischen Top Rank und Golden Boy sowie HBO und Showtime derart zu, daß es de facto zu einer Spaltung der Szene kam. Die Boxer Arums traten nicht mehr gegen jene an, die bei Golden Boy unter Vertrag standen, und umgekehrt.

Da Floyd Mayweather, der unangefochtene Platzhirsch unter den Boxern, ebenfalls zu Showtime überwechselte, wuchs der Einfluß auf seiten des Konglomerats, das den Machtkampf maßgeblich forcierte. Im vergangenen Jahr führte die renommierte englischsprachige Fachzeitschrift "Boxing News" in ihrer alljährlichen Liste der 50 einflußreichsten Persönlichkeiten des Boxgeschäfts Stephen Espinoza, Floyd Mayweather und Richard Schaefer auf den ersten drei Plätzen.

Inzwischen müßte man wohl den einflußreichen Berater Al Haymon an der Spitze plazieren, der immer mehr namhafte Boxer um sich schart und längst zur grauen Eminenz der Szene geworden ist. Haymon, Espinoza, Mayweather und Schaefer bilden inzwischen das Kleeblatt der Macht, das zur Steigerung der eigenen Profite den Konzentrationsprozeß verschärft. Das vor einigen Jahren totgesagte Boxgeschäft ist zwar aus der Grube gesprungen, hat aber unter dem unabweislichen Zwang der Kapitalverwertung begonnen, die eigene Substanz immer rascher zu verbrennen. Extrem hohe Einkünfte an der absoluten Spitze, immer mehr Duelle der namhaftesten Akteure über die Gewichtsklassen hinweg und der forcierte Konzentrationsprozeß zeugen von einer Scheinblüte der Branche, der keine Frucht folgen wird - zumindest nicht für die breite Mehrheit, zu deren Lasten die immensen Profite weniger erwirtschaftet werden.

Oscar de la Hoya, der lange als Glückspilz und Sonnenschein des US-amerikanischen Boxgeschäfts galt, sieht schweren Zeiten entgegen. Richard Schaefer, mit dem zusammen er die Golden Boy Promotions gegründet hatte, war in wirtschaftlicher Hinsicht der Motor ihres gemeinsamen Geschäfts. Solange De la Hoya mit Drogenproblemen zu kämpfen hatte und dem Tagesgeschäft fernblieb, lief dieses reibungslos. Aus dem Entzug zurückgekehrt, wollte er sich wieder stärker an der Führung des Unternehmens beteiligen und insbesondere durch Gespräche mit Bob Arum den Zwist soweit mildern, daß wieder Kämpfe mit beiderseitiger Beteiligung möglich würden. Damit fuhr er Schaefer in die Parade, da eine stärkere Beteiligung Arums dem Konkurrenten frische Luft verschafft oder ihn gar aus dem Schwitzkasten befreit hätte.

Die Konsequenzen ließen nicht lange auf sich warten: Schaefer nahm seinen Hut, Mayweather ergriff Partei für ihn und beendete die Zusammenarbeit mit Oscar de la Hoya. Bald kursierten Gerüchte, wonach etliche namhafte Boxer, die Golden Boy in seinen Reihen führte, dort gar keine Verträge unterschrieben hätten. Näheres wurde bislang nicht bekannt, doch scheint De la Hoya, der die Mehrheit der Anteile an dem Unternehmen besitzt, inzwischen einen Giganten auf tönernen Füßen in eine ungewisse Zukunft zu steuern.


Fußnote:

[1] http://www.boxen.de/news/golovkins-coach-hofft-auf-vereinigungskampf-gegen-quillin-32322

3. Juli 2014