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MELDUNG/1469: Wer hat Angst vor Gennadi Golowkin? (SB)




Weltbester Mittelgewichtler gefürchtet und gemieden

Gary Shaw hält Gennadi Golowkin für einen der besten Boxer, die jemals im Mittelgewicht gekämpft haben. Der Promoter des Australiers Daniel Geale, der am vergangenen Wochenende bereits in der dritten Runde gegen den Kasachen unterging, ist seit Jahrzehnten im Geschäft und weiß deshalb, wovon er spricht. Er sei seit 1970 in der Branche tätig und habe in all diesen Jahren nie einen besseren Mittelgewichtler gesehen, urteilte Shaw unmittelbar nach dem Kampf in New York. Geale habe sich ausgezeichnet bewegt und Druck gemacht, so daß sich Prognosen, er könne mit Golowkin über volle zwölf Runden gehen, zu bewahrheiten schienen. Doch schon in der zweiten Runde sei klar geworden, daß der Titelverteidiger einfach zu stark für den Herausforderer war. Der Kasache habe einen Stil, dem niemand in dieser Gewichtsklasse widerstehen könne. [1]

Im Madison Square Garden, dessen große Arena allenfalls dann ausverkauft ist, wenn ein New Yorker oder ein Puertoricaner in den Ring steigt, machte das Duell zwischen Golowkin und Geale mit 8.500 Zuschauern einen vergleichsweise guten Schnitt. Enttäuschend war hingegen die Quote beim Sender HBO, wo man mit zwei Millionen Zuschauern gerechnet hatte, aber in der Spitze nur 1,048 Millionen und durchschnittlich 984.000 zählte. Dan Rafael von ESPN führt dieses unspektakuläre Ergebnis darauf zurück, daß der Kampf bereits nach drei Runden geendet hatte. Die mangelnde Resonanz beim Publikum dürfte jedoch auch damit zusammenhängen, daß der Herausforderer in den USA relativ unbekannt ist. [2]

Bei seinem Auftritt für HBO im vergangenen Jahr bezog der Australier in Atlantic City eine Niederlage gegen den Briten Darren Barker, die ihn den IBF-Titel kostete. Soweit die schnellebige Gunst des US-Publikums Geale überhaupt noch auf der Rechnung hatte, war dessen letzter Auftritt an der Ostküste jedenfalls keine gute Empfehlung. Daß er Weltmeister zweier Verbände gewesen war, interessiert den Durchschnittszuschauer nicht im mindesten, der sich zuallererst für heimische Akteure begeistern kann, die gerade hoch im Kurs stehen. Das gilt in gewissem Maße natürlich auch für andere Länder, nimmt aber in den USA geradezu bornierte Züge an.

Golowkins Promoter K2 und die Verantwortlichen bei HBO hatten offenbar gehofft, mit Daniel Geale einen Herausforderer zu präsentieren, der die wachsende Popularität des Kasachen beflügeln würde. Wenngleich die Zahl der Kommentatoren schwindet, die den Superchampion der WBA und Weltmeister des kleinen Verbandes IBO immer noch nicht für den führenden Akteur im Mittelgewicht halten, zögert die Zuschauerschaft nach wie vor, dies auf breiter Front zu bestätigen. Geale hatte zuvor in seiner Karriere nur zweimal relativ knapp nach Punkten verloren und galt als zäher und wendiger Boxer, der schwer unter Kontrolle zu bringen ist. Golowkin machte mit ihm jedoch ebenso kurzen Prozeß wie vor einiger Zeit mit dem Briten Matthew Macklin, womit auch schon die beiden namhaftesten Kandidaten genannt sind, die sich dem Kasachen gestellt haben.

Wer fordert, Golowkin müsse eben gegen so populäre Kontrahenten wie Miguel Cotto, Saul Alvarez oder Julio Cesar Chavez jun. antreten, wenn er groß ins Geschäft kommen wolle, sollte dabei nicht unterschlagen, daß der Kasache noch keinem Kampf aus dem Weg gegangen ist. Hingegen haben diverse mögliche Kontrahenten abgewinkt, sobald sein Name fiel. Eine in der Tat attraktive und mit Sicherheit für das Publikum reizvolle Option wäre Cotto, der sich mit den gefährlichsten Rivalen gemessen hat. Er stieg mit Floyd Mayweather, Manny Pacquiao, Shane Mosley, Antonio Margarito, Paulie Malignaggi, Zab Judah, Joshua Clottey und Austin Trout in den Ring, als sie auf der Höhe ihres Könnens waren, und hat dabei häufiger gewonnen als verloren.

Miguel Cotto hat zuletzt Sergio Martinez als WBC-Weltmeister entthront, wobei der 39jährige Argentinier nach mehreren chirurgischen Eingriffen und vierzehn Monaten Pause nicht in der körperlichen Verfassung früherer Glanzzeiten war. Wenngleich der Puertoricaner bei seinem Sieg in der zehnten Runde eine ausgezeichnete Vorstellung gab, haftet dem Titelgewinn doch der Makel an, daß der Gegner nicht im Vollbesitz seiner Kräfte war. Das könnte Cotto anspornen, seinen Führungsanspruch gegen Golowkin durchzusetzen, wovon ihm aber sein Trainer Freddie Roach sicherlich abraten dürfte. Der Puertoricaner ist in niedrigeren Gewichtsklassen besser aufgehoben und könnte beispielsweise im Halbmittelgewicht mit "Canelo" Alvarez einen leichteren und zugleich lukrativeren Gegner wählen.

Aus Golowkins Sicht wäre das Einverständnis Cottos die langersehnte Eintrittskarte ins Bezahlfernsehen, zumal der Puertoricaner mit seiner riesigen New Yorker Fangemeinde den Madison Square Garden fast allein füllen kann. Im Gegensatz zu der Mehrzahl seiner Zunftgenossen liebt es Miguel Cotto zu kämpfen, doch dürfte er gerade in dieser Hinsicht in Golowkin seinen Meister finden. Demgegenüber fallen die beiden anderen Weltmeister im Mittelgewicht ab. Peter Quillin (WBO) hat in seinen letzten beiden Kämpfen gegen Gabriel Rosado und Lukas Konecny eine eher durchschnittliche Leistung geboten. Da er beim Konkurrenzsender Showtime auftritt, hat er einem Duell mit Golowkin ohnehin eine Absage erteilt.

Bliebe noch der 40 Jahre alte Australier Sam Soliman (IBF), der gerne mit dem Kasachen in den Ring steigen würde und zum Ausklang seiner Karriere noch einmal eine ansehnliche Börse einstreichen möchte. Er hat Felix Sturm den Titel abgenommen und dabei eine gute Figur gemacht. Das dürfte ihm gegen Golowkin kaum gelingen, der wohl von dieser Möglichkeit, sich einen weiteren Gürteln zu sichern, Gebrauch machen würde, sofern sich ihm kein prominenterer Kandidat stellt. [3]


Fußnoten:

[1] http://www.boxen-heute.de/artikel/6242-promoter-gary-shawgolovkin-ist-der-beste-mittelgewichtler-den-ich-jemals-gesehen-habe.html

[2] http://www.boxingnews24.com/2014/07/golovkin-geale-hbo-numbers-not-impressive-averages-984k-viewers/#more-179645

[3] http://www.boxingnews24.com/2014/07/who-can-golovkin-fight-next/#more-179642

30. Juli 2014