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MELDUNG/1514: Eigengewächse ergeben die gehaltvollste Suppe (SB)




Eddie Hearn läßt Bellew und Cleverly gegeneinander kämpfen

Während der Boxsport in Deutschland angesichts des weitgehenden Rückzugs der öffentlich-rechtlichen Sender schweren Zeiten entgegensieht, boomt die Branche auf der britischen Insel. Der aktuelle Höhenflug ist untrennbar mit dem Namen Eddie Hearn verbunden, da der Promoter von Matchroom Sport zahlreiche namhafte Akteure unter Vertrag hat und mit spektakulären Kämpfen aufwarten kann. Zu seinen Meisterwerken gehört das Duell zwischen Carl Froch und George Groves vor 80.000 Zuschauern im Londoner Wembley-Stadion, zumal sich das Kräftemessen einheimischer Rivalen ohnehin großer Beliebtheit beim britischen Publikum erfreut.

So treffen am 22. November in Liverpool Nathan Cleverly und Tony Bellew, die beide bei Matchroom unter Vertrag stehen, zu einer Revanche im Cruisergewicht aufeinander. Bei ihrem ersten Kräftemessen am 15. Oktober 2011, das im Halbschwergewicht ausgetragen wurde, hatte sich der damalige WBO-Weltmeister Cleverly nach Punkten durchgesetzt. Da der Sieg des Walisers verdient, aber nicht haushoch ausgefallen war, ließe sich ein Rückkampf an und für sich begründen. Dennoch wäre es kaum dazu gekommen, hätten nicht beide Boxer vor nicht allzu langer Zeit eine desaströse Niederlage hinnehmen müssen, die einer Zäsur in ihrer Karriere gleichkam.

Nathan Cleverly mußte sich vor heimischem Publikum in Cardiff als Titelverteidiger dem Russen Sergej Kowaljow geschlagen geben, dessen verheerenden Treffern er nicht gewachsen war. Tony Bellew unterlag dem kanadischen WBC-Weltmeister Adonis Stevenson, wobei in beiden Fällen deutlich wurde, daß die Briten auf dem höchsten Level nicht mithalten konnten. Sie treten inzwischen im Cruisergewicht an, wo Cleverly seine Bilanz mit Erfolgen gegen die handverlesenen Aufbaugegner Alejandro Valori und Shawn Corbin auf 28 Siege und eine Niederlage verbessert hat. Der Waliser wird in den Ranglisten aller vier großen Verbände unter den Top 15 geführt (WBO 6, IBF 10, WBA 11, WBC 15).

Tony Bellew, für den 22 Siege, zwei Niederlagen sowie ein Unentschieden zu Buche stehen, ist bei drei Verbänden präsent (WBC 5, WBO 5, IBF 11). Der maßgebliche Grund, eine Revanche dieser beiden Boxer auf die Beine zu stellen, besteht offensichtlich darin, auf diese Weise Umsätze zu erzielen, wie sie jeder für sich mit anderen Gegnern keinesfalls generieren könnte. Und nicht zuletzt will Eddie Hearn den Sieger dieses Duells als Herausforderer Marco Hucks in Stellung bringen, der den Titel der WBO im Cruisergewicht besitzt.

Mit diesem Manöver würde man Krzysztof Glowacki, Vikapita Meroro, Nuri Seferi und Grigori Drodsd überspringen, die aufgrund ihrer aktuellen Ranglistenplätze eher Anspruch auf einen Titelkampf hätten. Womöglich gelänge es sogar, Thabiso Mchunu das Nachsehen zu geben, der nach Meinung vieler Fans der stärkste Kandidat in der gesamten Gewichtsklasse ist.

Bellew gibt sich martialisch und fest entschlossen, Cleverly ein für allemal zu erledigen. Er werde das Gesicht des Walisers im Trainingslager unaufhörlich vor Augen haben und wünsche sich sehnlichst, diesen Gegner auf die Bretter zu schicken. Er könne den Fans in Liverpool einen hochemotionalen und geradezu epischen Kampf in Aussicht stellen, der mit seinem vorzeitigen Sieg enden werde.

Angesichts solcher an eine Obsession grenzenden Rachegedanken stellt sich natürlich die Frage, ob die immerhin schon drei Jahre zurückliegende Niederlage gegen Cleverly tatsächlich Bellews Motiv sein kann. Man wäre wohl eher geneigt, seine Stellungnahme für bare Münze zu nehmen, bezöge sie sich auf die K.o.-Niederlage im Kampf mit Adonis Stevenson. Daß sich Bellew derart in Rage redet, dürfte demnach unter Bewerbung des kommenden Kampfs zu verbuchen sein, der vor dem Hintergrund der sich daran anschließenden Pläne zu einem spektakulären Duell hochstilisiert werden soll. [1]

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Andre Dirrell boxt sich wieder nach oben

Am 8. Oktober verteidigt der Australier Sam Soliman den IBF-Titel im Mittelgewicht in Biloxi, Mississippi, gegen den US-Amerikaner Jermain Taylor. Im Vorprogramm dieses Kampfs, der vom Sender ESPN übertragen wird, tritt Andre Dirrell im Supermittelgewicht gegen Nick Brinson an. Dirrell, der 22 Auftritte gewonnen und nur einmal gegen Carl Froch in England verloren hat, steigt dabei als hoher Favorit in den Ring. Brinson, für den 16 Siege, zwei Niederlagen sowie zwei Unentschieden notiert sind, räumt man kaum eine Chance ein, für eine Überraschung zu sorgen.

Als Andre Dirrell nach einer langen Pause von eineinhalb Jahren am 1. August erstmals wieder einen Kampf bestritt, wirkte er so frisch und überzeugend, als sei er dem Ring nie ferngeblieben. Bei seinem eindrucksvollen Sieg über Vladine Biosse in der fünften Runde boxte er sogar besser als beim Super-Six-Turnier vor vier Jahren. Damals gewann er gegen den Berliner Arthur Abraham und später auch gegen Darryl Cunningham und Michael Gbenga. Nun geht es dem US-Amerikaner darum, möglichst schnell in den Ranglisten aufzusteigen, um sich einem Titelkampf zu nähern.

Dirrell wünscht sich eine Revanche gegen den WBA/IBF-Weltmeister Carl Froch, der ihn 2009 in Nottingham umstritten und mit Unterstützung der Punktrichter besiegt hat. Dazu wird es jedoch kaum kommen, da Froch und dessen Promoter Eddie Hearn die letzten Auftritte in der ausklingenden Karriere des 36jährigen sorgsam planen. Wenngleich die Namen Andre Dirrell und Andre Ward bei der Aufzählung möglicher Gegner fielen, heißt das noch lange nicht, daß die beiden US-Amerikaner ernsthaft in Betracht gezogen werden. [2]

Will Dirrell auf relativ schnellem Weg Weltmeister werden, sollte er sich entweder an die Fersen Arthur Abrahams heften, den er schon einmal besiegt hat. Eine andere Option wäre der IBF-Titel, sofern Froch kein Interesse an einem Kampf gegen den Pflichtherausforderer James DeGale hat und den Gürtel dieses Verbands deswegen zurückgeben muß. Wahrscheinlicher ist jedoch, daß Eddie Hearn auch in diesem Fall auf ein innerbritisches Duell zwischen Froch und DeGale drängen wird, zumal er dabei als Promoter beider Boxer die uneingeschränkte Kontrolle behielte.


Fußnoten:

[1] http://www.boxingnews24.com/2014/09/bellew-and-cleverly-face-each-other-on-november-22nd/#more-182292

[2] http://www.boxingnews24.com/2014/09/andre-dirrell-vs-nick-brinson-on-epn2-on-october-8th-in-biloxi-mississippi/#more-182293

26. September 2014