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MELDUNG/1533: Titelchancen haben ihre Tücken (SB)




Niederlage gegen Klitschko brachte Mariusz Wach aus dem Tritt

Der 2,02 m große polnische Schwergewichtler Mariusz Wach war Landesmeister, besiegte in Deutschland Christian Hammer und schaffte es in den USA, sich den baltischen und den internationalen Titel des Verbands WBC zu sichern. Namhafte Gegner aus der ersten Garnitur suchte man in seiner Bilanz vergebens, als ihn Wladimir Klitschko zum Herausforderer machte. Am 10. November 2012 traf der Ukrainer in der mit 15.000 Zuschauern ausverkauften Hamburger O2-Arena erstmals in seiner Karriere auf einen Gegner, der einige Zentimeter größer war und ihn auch an Reichweite übertraf. Zudem war der Pole in 27 Kämpfen ungeschlagen und hatte zuvor sieben Gegner in Folge vorzeitig besiegt. Als klarer Außenseiter habe er in dem bislang wichtigsten Kampf seiner Karriere nichts zu verlieren und könne ganz entspannt in den Ring steigen, übte sich Wach in Zuversicht.

Das als "Kampf der Giganten" angekündigte Duell verlief einseitig und womöglich noch enttäuschender als diverse andere Titelverteidigungen in den Jahren zuvor. Klitschko demonstrierte von Beginn an, wer Herr im Ring war, traf mit seinem starken linken Jab und kam auch mit der Rechten des öfteren zum Zuge. Wach mußte frühzeitig schwere Treffer einstecken und suchte sein Heil im Klammern, ohne den Champion wirklich bremsen zu können. Der Pole war einfach zu langsam und in seinen boxerischen Mitteln zu limitiert, um Klitschko gefährlich zu werden. Erst als dieser dem hohen Anfangstempo allmählich Tribut zollen mußte, setzte sich Wach im fünften Durchgang besser in Szene und brachte seine Rechte ins Ziel. Der Ukrainer geriet an den Seilen stehend in Bedrängnis, zog sich aber geschickt aus der Affäre.

Mit dieser einzigen guten Aktion hatte der Herausforderer sein Pulver auch schon verschossen. Der Weltmeister trumpfte in der Folge wieder auf und traktierte seinen Gegner mit wuchtigen Treffern, ohne ihn jedoch zu Fall zu bringen. Wenngleich er den Polen phasenweise mit einem Hagel von Schlägen eindeckte, hielt dieser durch, bis sich der Weltmeister gegen Ende damit abzufinden schien, einen klaren Punktsieg nach Hause zu boxen. Sah man von den bemerkenswerten Nehmerqualitäten des Herausforderers ab, gab seine Vorstellung keinerlei Anlaß, ihn als anspruchsvollen Gegner zu würdigen. Entsprechend einseitig fiel die Statistik aus: Während Klitschko fast 700mal geschlagen und dabei 275 Treffer erzielt hatte, kam der Pole bei 300 Versuchen lediglich 60mal durch.

Mariusz Wach wirkte allenfalls von seiner Körpergröße und Statur her ebenbürtig, könnte jedoch weder in technischer Hinsicht noch in punkto Kampfgeist mithalten. Es sah so aus, als wolle der Pole lediglich über die Runden kommen, was ihm denn auch gelang. Als er nach dem Kampf auch noch positiv auf Steroide getestet wurde, hatte sein Ruf endgültig Schaden genommen. Das Dopingvergehen wurde mit einer Sperre von zwölf Monaten und rund 5000 Euro Geldstrafe geahndet. Man hatte Wach abgeschrieben, der von Zweifeln an seinem Können heimgesucht wurde und die Zwangspause weit über die ihm auferlegte Frist hinaus streckte.

Fast zwei Jahre nach diesem Debakel im Titelkampf gegen Wladimir Klitschko kehrt Mariusz Wach heute in den Ring zurück. Gegner des 34jährigen Polen, für den 27 Siege und eine Niederlage zu Buche stehen, ist Samir Kurtagic, den eine Bilanz von zwölf gewonnenen und sechs verlorenen Auftritten als lösbare Aufgabe und nicht allzu schweren Prüfstein für die aktuelle Verfassung des Favoriten ausweist. Die einheimischen Promoter Mariusz Grabowski (Tymex Boxing Promotion) und Mariusz Kolodziej (Global Boxing Promotions) haben eine Veranstaltung ohne Titelkämpfe auf die Beine gestellt, in der neben Wach fünf ungeschlagene Boxer und ein Debütant gegen relativ leichte Gegner antreten. Im Programm enthalten ist auch ein Frauenkampf im Halbweltergewicht.

Wachs Gegner Kurtagic hat mit Edmund Gerber, Francesco Pianeta, Carlos Takam, Alexander Dimitrenko, Denis Boitsow und zuletzt Steffen Kretschmann im Ring gestanden, von denen ihn keiner vorzeitig besiegen konnte. Wenngleich technisch limitiert, ist er also kein Fallobst, sondern offenbar ein Boxer, der seine Arbeit ernst nimmt. Der Pole wird diesen Kampf gewinnen, doch könnte er natürlich ein Zeichen wiedergewonnener Zuversicht setzen, wenn ihm das in souveräner Manier oder gar vor Ende der angesetzten Rundenzahl gelänge.

Wie es für Mariusz Wach nach diesem mutmaßlichen Sieg weitergeht, hängt nicht allein von seiner eigenen Entschlossenheit ab. Er wird es schwer haben, sich in den Ranglisten wieder nach oben zu arbeiten und womöglich die Top 15 zu erreichen. Der Pole braucht nicht zuletzt einen einflußreichen Promoter, der ihm den steinigen Weg glättet und ihn springen läßt, wo andere mühsam voranschleichen müssen. Von einem Anschluß an die Weltspitze oder gar einer erneuten Titelchance kann jedoch vorerst sicher nicht die Rede sein. [1]


Fußnote:

[1] http://www.boxen.de/news/mariusz-wach-comeback-des-polnischen-wikingers-32946

17. Oktober 2014