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MELDUNG/1559: Langes Tauziehen endet mit einem Handschlag (SB)




Stiverne und Wilder offenbar handelseinig

Nach monatelangem Tauziehen haben sich Bermane Stiverne und Deontay Wilder offenbar auf einen Termin und Austragungsort ihres Kampfs geeinigt. Nach Angaben des für gewöhnlich gut unterrichteten Experten Dan Rafael vom Sender ESPN verteidigt der Kanadier den WBC-Titel im Schwergewicht am 17. Januar im MGM Grand in Las Vegas gegen den ungeschlagenen Herausforderer, auf dem seit langem die Hoffnungen seiner Landsleute ruhen, endlich wieder einen Gürtel der Königsklasse in die USA zu holen. Während für Stiverne 24 Siege, eine Niederlage sowie ein Unentschieden zu Buche stehen, hat Wilder seine 32 Siege ausnahmslos innerhalb der ersten vier Runden erzielt.

Das relativ seltene Auftreten des Kanadiers im Ring dürfte vor allem damit zusammenhängen, daß sein Promoter Don King seit geraumer Zeit seine wenigen verbliebenen Trümpfe äußerst sparsam ausspielt. Stiverne unterstrich indessen mit seinen beiden vorzeitigen Siegen über Chris Arreola im April 2013 und Mai 2014, daß er mit Fug und Recht zu den führenden Repräsentanten der Schwergewichtsszene gehört. Wilder hat seine beeindruckende Serie frühzeitiger Erfolge gegen Kontrahenten erzielt, die nicht der allerersten Garnitur zuzurechnen sind. Daher steht die Bestätigung noch aus, daß er seine enorme Schlagwirkung auch im Kampf mit den stärksten Gegnern zu seinen Gunsten in die Waagschale werfen kann.

Dreimal wurde die Versteigerung der Austragungsrechte verschoben, und zeitweise herrschte sogar der Eindruck vor, es werde nicht mehr zu diesem vor allem von den US-amerikanischen Boxfans heißersehnten Titelkampf kommen. Da Stiverne seinen Gürtel jedoch im ersten Quartal 2015 gegen den offiziellen Pflichtherausforderer verteidigen muß, will er ihn nicht am grünen Tisch verlieren, duldete die Austragung keine weitere Verzögerung mehr. Der Kampf wird vom Sender Showtime im Rahmen seines Formats Championship Boxing übertragen. [1]

Da der in Haiti geborene kanadische Staatsbürger Bermane Stiverne seit mehreren Jahren in Las Vegas lebt, verschafft ihm der Austragungsort gewissermaßen Heimrecht. Dennoch dürften die meisten Zuschauer Deontay Wilder den Rücken stärken, da er US-Amerikaner ist, stets einen frühzeitigen K.o.-Sieg anstrebt und überdies als angenehm empfundene Umgangsformen an den Tag legt. Letzteres hebt ihn von der Mehrzahl seiner Zunftgenossen ab, deren Mundwerk oftmals das Können im Ring bei weitem übersteigt.

Die Perspektive Wilders liegt klar auf der Hand: Er will Stiverne besiegen und neuer WBC-Weltmeister im Schwergewicht werden, was seine Popularität in den Himmel schießen und seine Börsen explodieren ließe. Danach könnte sein Landsmann Bryant Jennings an die Reihe kommen, der sich beim Verband WBC schon vor geraumer Zeit als nächster Pflichtherausforderer qualifiziert hat. Andererseits hat auch Wladimir Klitschko großes Interesse geltend gemacht, um den letzten Titel zu kämpfen, der ihm in seiner Sammlung noch fehlt. WBC-Präsident Mauricio Sulaiman hat ihm insofern grünes Licht gegeben, als er einen Kampf zur Vereinigung der Titel im kommenden Jahr gutheißt. Sollte sich Wilder gegen Stiverne durchsetzen und damit weiter im Visier des Ukrainers bleiben, stellt sich nur noch die Frage, ob Jennings zuvor noch eine Chance bekommt.

Deontay Wilder, der Klitschkos Sparringspartner vor dessen Kampf gegen den ebenfalls hochgewachsenen Polen Mariusz Wach war, kennt die Qualitäten des Ukrainers aus eigener Anschauung. Daher hat er eine Vorstellung davon, was ihn im Falle eines Duells mit dem Superchampion erwarten würde. Der US-Amerikaner enthielt sich nach dem jüngsten Sieg Klitschkos gegen den hoch gehandelten Bulgaren Kubrat Pulew jeden Kommentars. Zum einen scheint er nicht zu jenen Schwätzern zu gehören, die nach jedem Erfolg des Ukrainers tönen, er habe schon wieder gegen Fallobst gewonnen und wage es nicht, gegen sie anzutreten. Zum andern hätte er sich auch selbst keinen Gefallen damit getan, mögliche Ideen auszuplaudern, wie Klitschko aus seiner Sicht zu schlagen sein könnte.

Die Einschätzungen, wie der letzte Auftritt Klitschkos zu bewerten sei, gingen erheblich auseinander. Während die Mehrzahl der Kommentatoren die Auffassung vertrat, der Ukrainer habe mit diesem Sieg über einen hochklassigen Herausforderer seine Ausnahmestellung unterstrichen, wollten andere bedeutsame Schwächen des Weltmeisters ausgemacht haben, die sich Wilder gegebenenfalls zunutze machen könnte. Klitschko ließ seine übliche Zurückhaltung und Übersicht vermissen, als er sich ins Gefecht warf und dabei etliche Treffer einstecken mußte. Wenn schon Pulew, dem man keine sonderlich ausgeprägte Schlagwirkung attestiert, den Ukrainer ins Wackeln bringe, müßten Wilders gewaltige Bomben um so verheerender einschlagen, so das Kalkül mancher US-amerikanischer Experten.

Diese Überlegung läßt freilich die Gründe außer acht, warum Klitschko entgegen seiner gewohnten Kampfesweise so früh in die Offensive ging, dabei viel riskierte, aber auch umgehend alles gewann. Pulew war kein stark geredeter Herausforderer, dem der Weltmeister mit seinem Jab den Schneid abkaufen konnte, bis er irgendwann sturmreif geschossen war. Der Ukrainer wußte um die Gefährlichkeit dieses Gegners, der auch prompt angriff, mit mehreren Schlägen durchkam und sowohl den Jab des Champions als auch seinen Angriffsrhythmus empfindlich störte. Allerdings fand Klitschko bereits in der ersten Runde die entscheidende Lücke bei Pulew und schickte ihn mit einem linken Haken zu Boden, der in der Folge das Muster für die weiteren Niederschläge und den vorzeitigen Sieg in der fünften Runde abgab.

Der Weltmeister wendete also die Konstellation zu seinen Gunsten, gewann in überzeugender Manier und begeisterte nicht zuletzt mit seinem aggressiven Auftritt das Publikum wie seit langem nicht mehr. Wenngleich es also zutreffen mag, daß Wilder mit einem seiner gefürchteten Volltreffer den Ukrainer durchaus fällen könnte, ist noch lange nicht gesagt, daß Klitschko es wie die bisherigen Gegner des US-Amerikaners zulassen würde, daß dieser so frei zum Schlag kommt. Der am 25. Oktober 2012 verstorbene Trainer Emanuel Steward hat Wladimir Klitschko einst beigebracht, das Bestmögliche aus seinen spezifischen Schwächen und Stärken zu machen. Um die Ära dieses Weltmeisters zu beenden, bedarf es mehr als der schlichten Berechnung, daß Wilder viel kräftiger als Pulew zuschlagen könne. Auf jeden Fall wird der Titelkampf gegen Bermane Stiverne näheren Aufschluß darüber geben, wie es um das Talent Deontay Wilders bestellt ist, wenn man ihm echte Stolpersteine in den Weg legt.


Fußnote:

[1] http://www.boxingnews24.com/2014/11/deontay-wilder-vs-bermane-stiverne-possible-for-january-17th-in-las-vegas-nevada/#more-184569

21. November 2014