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MELDUNG/1605: Der Einzug ins Gelobte Land (SB)




David Lemieux unterschreibt bei den Golden Boy Promotions

Der kanadische Mittelgewichtler David Lemieux nährte zu Beginn seiner Profikarriere mit einer Serie vorzeitiger Siege die Hoffnungen seiner Landsleute, die in ihm bereits einen künftigen Weltmeister sahen. Daß er jedoch noch längst nicht alle Qualitäten eines rundum versierten Boxers ins Feld führen konnte, belegten später zwei Niederlagen in Folge gegen Marco Antonio Rubio und Joachim Alcine. Beide hielten sich zurück, bis er sich müde gekämpft hatte, um dann von seiner Konditionsschwäche zu profitieren und ihm das Nachsehen zu geben. Diese bitteren Rückschläge waren eine Lehre für den Kanadier, fortan nicht nur auf eine ausgezeichnete Schlagwirkung zu setzen, sondern im Durchhaltevermögen eine der wichtigsten Fähigkeiten eines dauerhaft erfolgreichen Akteurs zu erkennen und sich auch taktisch weiterzuentwickeln.

Das Publikum in den USA wurde erstmals auf Lemieux aufmerksam, als er im Mai 2014 im Vorprogramm der Titelverteidigung Adonis Stevensons gegen den Polen Andrzej Fonfara in Montreal auf Fernando Guerrero traf. Dieser stand gegen den Kanadier auf verlorenem Posten und mußte sich bereits in der dritten Runde geschlagen geben. In seinem bislang wichtigsten Kampf trat Lemieux Anfang Dezember 2014 vor über 6500 Zuschauern im New Yorker Barclays Center auf den aus Philadelphia stammenden Gabriel Rosado an. Dies war Lemieuxs erster Auftritt in den USA, der zudem im Mittelpunkt einer Veranstaltung des Senders Showtime stand und ihm auf diese Weise eine Tür zum US-amerikanischen Publikum öffnen sollte.

Die Kontrahenten enttäuschten die Zuschauer nicht und lieferten einander ein ebenso spannendes wie hochklassiges Duell, in dem der Kanadier bereits in der Anfangsphase offensiv zu Werke ging und seinen Gegner sichtlich malträtierte. Rosado bot ihm jedoch trotz eines Niederschlags in der dritten Runde beherzt Paroli, worauf der mitreißende Kampf weiterhin offen verlief. Von der siebten Runde an dominierte Lemieux seinen Widersacher jedoch so klar, daß der Kampf schließlich im zehnten Durchgang auf Anraten des Ringarztes abgebrochen wurde.

Damit baute der Kanadier seine Bilanz auf 33 Siege und zwei Niederlagen aus, wobei er 31 Gegner vorzeitig bezwungen hat. Wie er im Anschluß erklärte, habe er einen anspruchsvollen Test erfolgreich bestanden und brauche sich vor keinem Mittelgewichtler bis hinauf zu den Weltmeistern zu verstecken. Der Zweck, Lemieux einen spektakulären Auftritt zu verschaffen, war jedenfalls erfüllt, und so schwärmten einige Kommentatoren sogar von einem Kräftemessen mit Gennadi Golowkin, da sie meinten, beide hätten gleichermaßen Dampf in den Fäusten und könnten einander einen fulminanten Schlagabtausch mit ungewissem Ausgang liefern.

Der in Montreal lebende Mittelgewichtler wird in den Ranglisten der Verbände WBC (2), WBO (3), IBF (5) und WBA (13) inzwischen an aussichtsreichen Positionen geführt. Um seiner Karriere einen zusätzlichen Schub zu verleihen und beim Sender HBO aufzutreten, hat er sich nun von seinem langjährigen kanadischen Promoter Yvon Michel getrennt. Den 26jährigen gelüstet es nach prominenten Gegnern wie Miguel Cotto, Saul "Canelo" Alvarez und Gennadi Golowkin, die nicht nur ansehnliche Börsen in Aussicht stellen, sondern im Falle des Puertoricaners und des Kasachen auch Titel in ihrem Besitz haben.

Wenngleich der Kampf gegen Rosado eine recht gute Quote eingefahren hatte, ist Lemieux mit einem US-amerikanischen Promoter besser bedient, der mit HBO zusammenarbeitet, da dieser Sender über eine größere feste Abonnentenzahl verfügt. Auch mit Blick auf die genannten Wunschgegner ist dies die günstigere Wahl, da alle drei bei HBO zu sehen sind. Der Kanadier wäre allerdings gut beraten, sein derzeitiges Können nicht zu überschätzen und mindestens einen weiteren Kampf zu bestreiten, der eine Standortbestimmung erlaubt.

Golowkin und dessen K2 Promotion wären einem Kampf gegen den Kanadier sicher nicht abgeneigt, da der Kasache von hochklassigen Gegnern wie Cotto oder Alvarez offensichtlich gemieden wird. Da böte sich ersatzweise Lemieux an, der dem US-amerikanischen Publikum inzwischen recht gut bekannt ist und sich als gefährlicher Herausforderer vermarkten ließe. Dieser würde allerdings schnell herausfinden, was Golowkin von Rosado unterscheidet: Der Kasache kann alles viel besser als der Amerikaner und dürfte Lemieux ein Debakel bereiten, das dessen Höhenflug jäh beendet. Wenngleich der Kanadier seit seinen beiden Niederlagen im Jahr 2011 nunmehr acht Kämpfe in Folge gewonnen und sich dabei durchaus verbessert hat, war die Mehrzahl seiner Gegner doch zu schwach, um daraus fundierte Aussagen über sein tatsächliches Können abzuleiten. Und da Rosado in der Vergangenheit auch von Golowkin und Alfredo Angulo niedergemäht worden war wie auch gegen Peter Quillin, Derek Ennis und Jermell Charlo verloren hatte, war dies ein schöner Erfolg für den Kanadier, doch noch längst kein zweifelsfreier Durchbruch an die Spitze. [1]

Wie unterdessen bekanntgeworden ist, haben die Golden Boy Promotions David Lemieux unter Vertrag genommen. Nach dem Verlust einer ganzen Reihe namhafter Akteure im Zuge des vor wenigen Tagen beigelegten Rechtsstreits mit dem früheren Geschäftsführer Richard Schaefer und dem einflußreichen Berater Al Haymon hat Oscar de la Hoya damit einen dicken Fisch an Land gezogen. Im Unterschied zu den zwölf anderen aktuellen Neuzugängen des Unternehmens in Los Angeles ist dem Kanadier zuzutrauen, in absehbarer Zeit um einen Titel zu kämpfen.

Indessen sind euphorische Übertreibungen, Lemieux sei der neue Stern am Firmament des Mittelgewichts, mit Vorsicht zu genießen. Sein Promoter Golden Boy muß sich entscheiden, ob er den Kanadier vorsichtig ins Spiel bringen oder gleich ins kalte Wasser eines hochwertigen Kampfs werfen sollte. Lemieux kann zwar recht wirkungsvoll zuschlagen, ist aber selbst auch relativ leicht zu treffen. Schon die Weltmeister Daniel Jacobs (WBA), Jermain Taylor (IBF) und Andy Lee (WBO) könnten daraus Kapital schlagen, von Miguel Cotto (WBC) und dem WBA-Superchampion Gennadi Golowkin ganz zu schweigen. [2]


Fußnoten:

[1] http://www.boxingnews24.com/2015/01/lemieux-splitting-with-michel-wants-canelo-cotto-and-golovkin-bouts/#more-186458

[2] http://www.boxingnews24.com/2015/01/golden-boy-signs-david-lemieux/#more-186531

12. Januar 2015


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