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MELDUNG/1621: Da fliegen die Fetzen ... (SB)




Lucas Matthysse trifft auf Ruslan Prowodnikow

Am 28. März soll in Atlantic City ein hochkarätiger Kampf im Halbweltergewicht zwischen Lucas Matthysse und Ruslan Prowodnikow ausgetragen werden. Während der Argentinier 36 Kämpfe gewonnen und drei verloren hat, stehen für den Russen 24 Siege und ebenfalls drei Niederlagen zu Buche. Die beiderseitigen Bilanzen mögen sich auf den ersten Blick nicht allzu beeindruckend ausnehmen, doch handelt es sich um zwei der gefährlichsten Akteure, die gegenwärtig in dieser Gewichtsklasse präsent sind. Die Zuschauer erwartet ein spannendes Duell, das voraussichtlich nicht über die volle Distanz gehen wird.

Sollte in diesem Kampf der vakante WBO-Titel auf dem Spiel stehen, würde das eine ohnehin vielversprechende Konstellation zusätzlich aufwerten. Jeder von beiden wäre ein würdiger Träger des Titels, doch scheint die World Boxing Organization andere Pläne zu schmieden. Wie es heißt, wolle der Verband Terence Crawford eine Chance einräumen, sobald er in dieses Limit aufsteigt. Das würde vermutlich darauf hinauslaufen, daß der Sieger des Duells in New Jersey gegen Crawford um den WBO-Titel kämpft.

Matthysse und Prowodnikow haben insofern noch etwas gutzumachen, als der Argentinier seit seiner Niederlage gegen Danny Garcia im Jahr 2013 keine Gegner der Spitzenklasse mehr vor den Fäusten hatte und der Russe den WBO-Titel im Juni 2014 an Chris Algieri verlor. Dieser bekam daraufhin einen Kampf gegen Manny Pacquiao im Weltergewicht, in dem er sich klar nach Punkten geschlagen geben mußte.

Am 14. September 2013 lieferte Matthysse seinem Gegner Danny Garcia sechs Runden lang einen hochklassigen Kampf, bis er eine Verletzung am linken Auge davontrug, die ihm auf dieser Seite fast vollständig die Sicht nahm. Trotz dieser gravierenden Einschränkung hätte der Argentinier möglicherweise gewonnen, doch behalf sich Garcia nicht zuletzt mit Klammern, Tiefschlägen und Weglaufen, um am Ende einen Punktsieg davonzutragen. Ringrichter Tony Weeks bot eine schwache Leistung, da er diverse Treffer unter der Gürtellinie übersah und Garcia überdies einen Niederschlag zuerkannte, der definitiv keiner war. Als kämpfe er bei den Mixed Martial Arts, schob der Puertoricaner seinen Gegner gegen die Seile, in denen sich der Argentinier verhedderte und dadurch zu Fall kam.

Im Frühjahr 2014 bekam es Matthysse dann mit John Molina zu tun, der anfangs eine gute Figur machte und sogar mehrere Niederschläge erzielte. Als der Argentinier jedoch erkannt hatte, daß sich sein Gegner vor allem auf linke Haken verließ, blockte er diese konsequent ab und wendete in der zweiten Hälfte des Kampfes das Blatt vollständig, bis Molina schließlich in der elften Runde geschlagen am Boden lag. Dieser Auftritt war insofern recht typisch für Matthysse, der das Publikum noch nie gelangweilt hat. Sicherheitsboxen ist nicht sein Fall, und da er stets einen Niederschlag anstrebt, geht er dabei auch beträchtliche Risiken ein.

Im September hatte er leichtes Spiel mit dem frühzeitig überforderten Roberto Ortiz, der sich bereits in der zweiten Runde geschlagen geben mußte. Hatte man im Vorfeld einen anspruchsvollen Kampf erwartet, so stellte sich doch rasch heraus, daß der Argentinier buchstäblich in einer anderen Liga als sein Gegner boxte.

Der von Freddie Roach trainierte Ruslan Prowodnikow hatte sich von einem Erfolg im Kampf gegen Chris Algieri einen Durchbruch zu größerer Prominenz und höheren Börsen erhofft. Er stieg Mitte Juni 2014 im Barclays Center in Brooklyn als klarer Favorit in den Ring und schickte seinen Gegner bereits in der ersten Runde zweimal auf die Bretter. Da alles nach Plan zu verlaufen und das vorzeitige Ende absehbar schien, begnügte sich der Russe in der Folge damit, in jeder Runde mindestens einen Volltreffer zu landen, ansonsten aber dem mobilen Gegner das Feld zu überlassen. Wenngleich die Schläge Algieris zu schwach ausfielen, um eine nennenswerte Wirkung zu zeitigen, arbeitete er unermüdlich mit seinem schnellen Jab, bewegte sich unablässig und überraschte den Champion aus immer neuen Vektoren.

Nach zwölf Runden sah der schwer gezeichnete US-Amerikaner wie ein klarer Verlierer aus, doch hatten zwei der drei Punktrichter aufgrund seiner größeren Aktivität einen Vorsprung für ihn notiert. Prowodnikow räumte anschließend ein, daß ihm solche Läufer einfach nicht lägen. Er bevorzuge Gegner, die sich ihm zum Schlagabtausch stellen. Freddie Roach versäumte es, seinem Schützling im Laufe des Kampfs eine modifizierte Vorgehensweise anzuraten, was freilich dem Umstand geschuldet sein mochte, daß ihm die boxerischen Grenzen des Russen nur zu bewußt waren. So hatte sich die Wahl, den vermeintlich leichten Gegner Algieri zu wählen, als verhängnisvoller Fehlgriff erwiesen.

Da man offenbar bemüht war, Prowodnikow langsam wieder aufzubauen, setzte man ihm im November den 40jährigen Jose Luis Castillo vor. Der Russe hatte keine Mühe, das Geschehen zu domininieren, und setzte sich in der fünften Runde durch. Zum Leidwesen des Publikums war der Gegner zu schwach, um dem Favoriten ernsthaft Paroli zu bieten, so daß dessen Erfolg wenig Anhaltspunkte bot, inwieweit Prowodnikow bereit für eine Rückkehr an die Spitze seiner Gewichtsklasse ist. Mit seinen 31 Jahren hat er keine Zeit mehr an bloße Aufbaugegner zu verschwenden, was den geplanten Kampf gegen Lucas Matthysse um so attraktiver macht. Wer dabei die Oberhand behält, hat einen der maßgeblichen Konkurrenten um die Führung im Halbweltergewicht aus dem Feld geschlagen und den Rang des Weltmeisters in greifbare Nähe gerückt. [1]


Fußnote:

[1] http://www.boxingnews24.com/2015/01/matthysse-vs-provodnikov-looking-good-for-march-28th-in-atlantic-city-nj/#more-187522

29. Januar 2015


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