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MELDUNG/1630: Über Nacht kann sich manches ändern (SB)



Felix Sturm eröffnet sich überraschend eine neue Titelchance

Die IBF hat Jermain Taylor den Titel im Mittelgewicht aberkannt, da der US-Amerikaner infolge diverser juristischer Probleme auf absehbare Zeit nicht mehr in den Ring zurückkehren kann und möglicherweise seine Karriere sogar endgültig beendet. Zugleich ordnete der Verband einen Kampf um den vakanten Titel zwischen dem Ranglistenersten Hassan N'Dam und dem an Nummer drei notierten Felix Sturm an. Während N'Dam 31 Auftritte gewonnen und nur einen verloren hat, stehen für den Kölner 39 Siege, vier Niederlagen und drei Unentschieden zu Buche.

Sturm hatte den IBF-Titel im Mai 2014 an den 40 Jahre alten Australier Sam Soliman verloren und sich im November unentschieden von dem früheren WBO-Champion Robert Stieglitz getrennt. Da eine Revanche mit dem Magdeburger und insbesondere der seit Jahren geforderte Kampf gegen Arthur Abraham im Gespräch sind, fehlt es Sturm nicht an Optionen, die sich hierzulande ausgezeichnet vermarkten lassen. Zudem pflegt der Kölner seine Gegner sorgfältig auszuwählen, um unwägbare Risiken zu vermeiden. Daher ist ungewiß, ob er sich N'Dam zum Duell stellen wird.

In seinen letzten Kämpfen ließ Sturm Konditionsschwächen erkennen, die ihn daran hinderten, durchgängig in hohem Tempo zu boxen und seinen Gegner beständig unter Druck zu setzen. Andererseits verfügt er über ausgezeichnete technische Fertigkeiten, einen guten Jab und kann eine beträchtliche Schlagwirkung entfalten. Da Abraham und Stieglitz im Supermittelgewicht antreten, dürfte Sturm der Idee nicht abgeneigt sein, in seinem eigenen Limit noch einmal Weltmeister zu werden. Allerdings bekäme er es mit einem gefährlichen Gegner zu tun, der in jüngerer Zeit anspruchsvolle Aufgaben gemeistert hat.

Seine einzige Niederlage bezog Hassan N'Dam 2012 gegen Peter Quillin, dem er mit seinen schnellen Schlägen beträchtliche Probleme bereitete. Allerdings ließen seine Nehmerqualitäten zu wünschen übrig, so daß er nach schweren Treffern des US-Amerikaners mehrfach zu Boden gehen mußte. Seither hat N'Dam vier Kämpfe in Folge gewonnen, darunter im April 2014 gegen Fulgencio Zuniga und im Oktober gegen den stark eingeschätzten Curtis Stevens jeweils nach Punkten. [1]

Da Jermain Taylor seinen Titel nicht wie geplant gegen Sergio Mora verteidigen konnte, trat dieser an dem dafür vorgesehenen Termin in Biloxi, Mississippi, ersatzweise gegen Abie Han an. Galt Mora im ausgefallenen Titelkampf als Außenseiter, so schien ihm gegen den kurzfristig eingesprungenen Kontrahenten ein klarer Sieg sicher, zumal er 2008 sogar für einige Monate Weltmeister gewesen war.

Der 30jährige Han leistete dem vier Jahre älteren Favoriten jedoch unerwartet heftigen Widerstand, da er die weit größere Erfahrung und überlegene Technik seines Gegners durch seine schnellen Schläge wettzumachen verstand. Mora machte zwar zu Beginn jeder Runde ein gute Figur, ließ dann aber nach und zog sich an die Seile zurück. Was wie eine geschickte Taktik anmuten mochte, da er die meisten Schläge zum Kopf abwehren konnte, war doch denkbar ungeeignet, Körpertreffer zu verhindern, die er in Serie einstecken mußte.

Mit zunehmender Rundenzahl versuchte Mora immer häufiger, die Angriffe des Gegners durch Klammern zu verhindern, wofür ihn der Ringrichter erstaunlicherweise mit keinem Punktabzug bestrafte. In der zehnten Runde mußte er sogar nach einem Schlag gegen die Schulter zu Boden gehen, wobei er in den letzten drei Durchgängen so erschöpft wirkte, daß Han eindeutig die Oberhand gewann. Am Ende konnte Mora von Glück reden, daß ihm zwei der drei Punktrichter dennoch den Zuschlag gegeben hatten (114:113, 115:112, 112:115) und er sich somit gerade noch aus der Affäre ziehen konnte. Trotz eines enttäuschenden Auftritts verbesserte er seine Bilanz auf 28 Siege, drei Niederlagen und zwei Unentschieden, während für Han nunmehr 23 gewonnene und zwei verlorene Auftritte notiert werden.

Die Einschätzung, Jermain Taylor habe sich für seine erste Titelverteidigung einen relativ schwachen Herausforderer ausgesucht, fand in den Problemen, die Sergio Mora mit Abie Han hatte, ihre volle Bestätigung. Selbst wenn man einräumt, daß sich Mora möglicherweise auf den Weltmeister besser vorbereitet hätte und gegen ihn entschiedener zur Sache gegangen wäre, ging es in diesem Duell doch immerhin darum, sich für einen künftigen Titelkampf zu empfehlen. Das ist dem ehemaligen Champion gründlich mißlungen, der offensichtlich nicht mehr derselbe Boxer ist, der Vernon Forrest 2008 bei ihrer ersten Begegnung entthront hatte. Offenbar fehlt ihm inzwischen das Durchhaltevermögen, und da er auch keine nennenswerte Schlagwirkung ins Feld führen kann, wäre er eine leichte Beute für sämtliche namhaften Mittelgewichtler, ob sie nun Gennadi Golowkin, Miguel Cotto, Daniel Jacobs, Andy Lee, Billy Joe Saunders, Hassan N'Dam oder Peter Quillin heißen. [2]


Fußnoten:

[1] http://www.boxingnews24.com/2015/02/jermain-taylor-stripped-of-ibf-title-sturm-and-ndam-ordered-to-fight-for-vacant-belt/#more-187970

[2] http://www.boxingnews24.com/2015/02/sergio-mora-defeats-abie-han-by-split-decision/#more-187968

8. Februar 2015


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