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MELDUNG/1655: Ist der Ring überall der gleiche? (SB)



Andre Dirrells Promoter ersteigert Heimvorteil gegen James DeGale

Nachdem der Brite Carl Froch den Gürtel der IBF zurückgegeben hat, kämpft sein Landsmann James DeGale gegen den US-Amerikaner Andre Dirrell um den vakanten Titel dieses Verbands im Supermittelgewicht. In zähen Verhandlungen um die Modalitäten konnten die beiden Lager keine Einigung erzielen. DeGales Promoter Eddie Hearn von Matchroom wollte das Duell am 25. April in England austragen, doch lehnte Dirrell dies ab. Der Amerikaner hatte 2009 im Rahmen des Super-Six-Turniers bei seinem Auftritt in Nottingham gegen Carl Froch schlechte Erfahrungen gemacht. Er unterlag über zwölf Runden knapp nach Punkten, worauf er der Auffassung war, das Kampfgericht habe den Luftlöcher schlagenden und zu regelwidrigen Mitteln greifenden Lokalmatador bevorteilt.

Als die Gespräche gescheitert waren, setzte die IBF an ihrem Sitz in Springfield, New Jersey, wie üblich eine Versteigerung der Austragungsrechte an, bei der sich Leon Margules von Warriors Boxing mit einem Gebot von 3,1 Millionen Dollar, das er im Auftrag von Dirrells Berater Al Haymon abgegeben hatte, deutlich gegen die 2,105 Millionen Eddie Hearns durchsetzte. Damit hat der in Flint, Michigan, lebende Andre Dirrell Heimrecht und wird voraussichtlich in Detroit gegen den Briten antreten. Da um einen vakanten Titel gekämpft wird, kommt es zu einer Aufteilung der Gesamtbörse im Verhältnis 50:50, so daß die Kontrahenten mit je 1,55 Millionen Dollar die bislang höchste Gage ihre Karriere einstreichen können. [1] Dabei handelt es sich freilich um einen Bruttobetrag, von dem unter anderem der Anteil der Promoter und Trainer sowie weitere Unkosten der Betreuung abgeführt werden müssen.

Al Haymon wird den Titelkampf wahrscheinlich im April in seiner Serie "Premier Boxing Champions" veranstalten, wobei der übertragende Sender noch nicht feststeht. Den Statuten der IBF entsprechend ist Warriors Boxing eine Frist bis 25. März gesetzt, dem Verband die unterschriebenen Verträge für den Kampf vorzulegen, der binnen 90 Tagen durchgeführt werden muß.

Der Ausgang der Versteigerung ist ein herber Rückschlag für James DeGale und seinen Promoter, die einen Heimvorteil vor großer Kulisse erhofft hatten. In den sauren Apfel beißend erklärte der 29jährige Titelaspirant, daß der Boxring überall der gleiche sei und der Austragungsort letztlich keine Rolle spiele. Er werde dennoch Geschichte schreiben und sich den Gürtel der IBF sichern. Eddie Hearn stieß mit den Worten ins gleiche Horn, James werde in die USA reisen und mit der Trophäe nach Hause zurückkehren.

Für James DeGale, der beim Boxturnier der Olympischen Spiele 2008 in Beijing eine Goldmedaille gewonnen hatte, werden im Profilager 20 Siege und eine Niederlage notiert, die er 2011 gegen seinen Landsmann George Groves bezogen hat. Seither konnte er zehn Kämpfe in Folge gewinnen, wobei er freilich keinen erstklassigen Gegner vor den Fäusten hatte. Im Mai 2014 setzte er sich in der vierten Runde gegen Brandon Gonzales aus den USA durch und wurde damit neuer Pflichtherausforderer des IBF-Weltmeisters. Sein Wunsch, sich mit Carl Froch zu messen, erfüllte sich nicht, da es sein prominenter Landsmann ablehnte, gegen den aus seiner Sicht weit unter ihm einzustufenden Kandidaten anzutreten. Um die Wartezeit zu überbrücken, kämpfte DeGale im November gegen Marco Antonio Periban, dem er in der dritten Runde das Nachsehen gab.

Der 31 Jahre alte Andre Dirrell hat eine Bronzemedaille in seinem Trophäenschrank, die er bei der Olympiade 2004 in Athen gewann. Seine Bilanz von 24 Siegen und einer Niederlage gegen Carl Froch, der damals WBC-Weltmeister war, sieht ähnlich wie die seines kommenden Gegners aus. Er hat jedoch mit namhafteren Kontrahenten im Ring gestanden und zuletzt sechs Kämpfe in Folge gewonnen, wobei er zwischenzeitlich aufgrund einer Verletzung und Streitigkeiten mit seinem Promoter für eine längere Frist außer Gefecht war. Nachdem er im vergangenen Jahr bei Al Haymon unterschrieben hatte, bekam seine Karriere neuen Schwung. Er bestritt zwischen August und Dezember drei Auftritte, bei denen er sich in noch besserer Verfassung als vor seiner Zwangspause präsentierte. [2]

Wenngleich DeGales Aussage, daß der Ring überall der gleiche sei, in gewisser Weise zutrifft, ist der Heimvorteil doch zumindest im Falle einer relativ knappen Punktwertung nicht zu unterschätzen, wovon Dirrell ein Lied singen kann. Während der Brite den Rückhalt seiner begeisterungsfähigen Fangemeinde bitter nötig hätte, trifft das nicht in gleichem Maße für seinen Gegner zu. Dirrell gilt als erfahrener, technisch versierter und wesentlich beweglicher als DeGale, so daß er diesen Kontrahenten wohl auch in England klar besiegen würde.

James DeGale kann zwar gehörig austeilen, boxt aber so langsam und statisch, daß er einen wendigen Gegner wie Dirrell kaum entscheidend treffen kann. Man rechnet daher mit einem einseitig verlaufenden Kampf, den der US-Amerikaner mit seinen schnellen Händen und behenden Ausweichmanövern diktiert, womöglich sogar vorzeitig zu seinen Gunsten entscheidet. Sollte er sich wie erwartet durchsetzen, schlösse er zu seinem jüngeren Bruder Anthony Dirrell auf, der den WBC-Titel im Supermittelgewicht hält. Gemeinsam könnten die beiden diese Gewichtsklasse dominieren und wieder in Bewegung bringen, die durch die lange Untätigkeit Andre Wards, das endlose Zögern Carl Frochs und den auf dem deutschen Nebengleis rangierenden WBO-Titel seit geraumer Zeit stagniert.


Fußnoten:

[1] http://espn.go.com/boxing/story/_/id/12457256/andre-dirrell-secures-home-field-james-degale-title-fight

[2] http://www.boxingnews24.com/2015/03/degale-not-worried-about-fighting-dirrell-in-america-im-still-making-history/#more-189205

13. März 2015


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